GHDI logo

August Bebels Reichstagsrede gegen die Kolonialpolitik in Deutsch-Ostafrika (26. Januar 1889)

Seite 2 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Meine Herren, wären diese Grundsätze, wie behauptet wird, heute noch maßgebend, dann könnte die Reichsregierung mit dieser Forderung unmöglich an den Reichstag herantreten; aber im Widerspruch hiermit bringt die weitere Begründung der Angelegenheit das genaue Gegenteil zur Geltung. Hier wird ausgeführt, daß nunmehr, da die Ostafrikanische Gesellschaft, nach meiner Überzeugung durch eigenes Verschulden, aus ihrem Besitz herausgeworfen ist, da sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgabe, die sie sich in ihrem eigenen Interesse gestellt hat, zu erfüllen, das Reich für die Zwecke der Ostafrikanischen Gesellschaft eintreten muß. Nun, wer ist denn diese Ostafrikanische Gesellschaft? Ein kleiner Kreis von Großkapitalisten, Bankiers, Kaufleuten und Fabrikanten, d. h. ein kleiner Kreis von sehr reichen Leuten, deren Interessen mit den Interessen des deutschen Volks gar nichts zu tun haben, die bei dieser Kolonialpolitik nichts als ihr eigenes persönliches Interesse im Auge haben, die, wie es vorhin vom Herrn Dr. Bamberger auf Grund bestimmter Äußerungen des offiziellen Organs der Ostafrikanischen Gesellschaft ausgesprochen wurde, nur den Zweck hatten, auf Grund größerer Mittel gegenüber einer schwächeren Bevölkerung sich auf alle mögliche Weise zu bereichern. Einer solchen Kolonialpolitik werden wir nie unsere Zustimmung geben. Im Grunde genommen ist das Wesen aller Kolonialpolitik die Ausbeutung einer fremden Bevölkerung in der höchsten Potenz. Wo immer wir die Geschichte der Kolonialpolitik in den letzten drei Jahrhunderten aufschlagen, überall begegnen wir Gewalttätigkeiten und der Unterdrückung der betreffenden Völkerschaften, die nicht selten schließlich mit deren vollständiger Ausrottung endet. Und das treibende Motiv ist immer, Gold, Gold und wieder nur Gold zu erwerben. Und um die Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung im vollen Umfange und möglichst ungestört betreiben zu können, sollen aus den Taschen des Reichs, aus den Taschen der Steuerzahler Millionen verwendet werden, soll die Ostafrikanische Gesellschaft mit den Mitteln des Reichs unterstützt werden, damit ihr das Ausbeutegeschäft gesichert wird. Daß wir von unserem Standpunkt aus als Gegner jeder Unterdrückung nicht die hand dazu bieten, werden Sie begreifen.

Ich gehe weiter und sage, daß sogar im Falle einer kolonialen Bearbeitung der ostafrikanischen Ländereien, wie sie unter die deutsche Schutzherrschaft gestellt sind, durch eine europäische oder deutsche Kolonialgesellschaft für die Einwohner der betreffenden Länder nicht einmal irgendein Vorteil erwächst. Die Sitten und Gewohnheiten der betreffenden Bevölkerung, auch wenn sie sich in Sklaverei befindet, unterscheiden sich zum Teil recht günstig von denjenigen in europäischen Ländern. Wir haben erst in den letzten Tagen aus einem Vortrage, den Dr. Hans Meyer, auch ein Afrikareisender, in Dresden gehalten hat, gehört, daß eigentlich die Lage der Sklaven in den inneren afrikanischen Bezirken unter ihren Sklavenhaltern vielfach eine weit bessere sei als die unserer deutschen, unserer europäischen Arbeiter. Es ist unter anderem in diesem Vortrage erwähnt worden, daß die afrikanischen Sklaven wöchentlich zwei Feiertage bekämen. Meine Herren, wenn der deutsche Arbeiter eine solche Forderung aufstellen würde, dann wollte ich einmal den Sturm der Entrüstung sehen, der sich in den weitesten Kreisen der Unternehmer erheben würde. Ferner ist es Tatsache, daß die Arbeit bei uns in Deutschland eine angestrengtere ist als die, welche die Sklavenhalter ihren Sklaven zumuten, und daß die tägliche Arbeitszeit durchschnittlich eine geringere ist, als sie deutsche Arbeiter in Deutschland im Dienste ihrer Unternehmer vollziehen müssen. Nun aber hat die Erfahrung und die Geschichte aller Kolonien gelehrt, daß, sobald Europäer – und es ist ja stets nur die Unternehmerklasse, die dabei in Frage kommt – in fremdem Lande Boden fassen und das Land nach den verschiedensten Richtungen nach Möglichkeit ausbeuten, die schlechten Sitten, Gewohnheiten und Gebräuche der Europäer eingebürgert werden. Diese allein finden Anwendung gegenüber der eingeborenen Bevölkerung und werden noch aufs äußerste übertrieben. Die Arbeitszeit wird alsdann überall eine unmenschlich lange, die Behandlung der eingeborenen Bevölkerung erfolgt ohne die geringste Rücksicht auf ihr materielles oder physisches Wohl. Das ist ganz erklärlich. Der Arbeiter ist selbst in den Augen vieler unserer zivilisierten europäischen Unternehmer eigentlich nur ein Werkzeug, ein Arbeitsmittel, das nach Möglichkeit ausgenutzt werden muß. Dieses gilt noch in viel höherem Maße von den tiefer stehenden Rassen, die man als inferior betrachtet und gegen die instinktiv eine gewisse Verachtung und ein großer Haß vorhanden ist. Man gewöhnt sich zu leicht, in dem Schwarzen einen Menschen inferiorer Rasse zu sehen, gegen den man sich alles erlauben dürfe, gegenüber dem es in der Behandlung gar keine andere Grenze gebe als die des eigenen persönlichen Nutzens, des größten Vorteils für den Unternehmer. Als Folge dieser Auffassung sehen wir, daß allüberall, wo die Europäer in solche Kolonialgebiete eindringen und wo stets die Bevölkerung im ganzen sich auf einer niedrigeren Kulturstufe befindet, diese brutal egoistischen Maximen Platz greifen und fortgesetzt zu Empörungen und Revolten gegen die Unternehmer führen, genauso wie wir dies bereits bei der kurzen Verwaltungsprobe der Ostafrikanischen Gesellschaft in den deutschen Schutzgebieten in Ostafrika erlebt haben.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite