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Bismarcks riskantes diplomatisches und militärisches Spiel aus britischer Sicht (Februar-August 1866)

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VI.

Im Juni 1866 fiel die liberale Regierung Großbritanniens und mit einiger Verzögerung wurde Lord Clarenden im Juli als Außenminister durch Lord Stanley ersetzt. Kurz danach gab Loftus seine Einschätzung der deutschen Lage ab:

Damals schrieb ich an Lord Stanley, dass ich eine Machtvergrößerung Preußens nicht mit Unzufriedenheit oder Sorge für England sehen könnte. Es war der große protestantische Staat Kontinentaleuropas. Es verkörperte die Intelligenz, den Fortschritt und den Wohlstand Deutschlands. Es wird eine maßgebliche Macht für die Friedenssicherung in Mitteleuropa werden. Es wird allmählich bei der konstitutionellen Regierungsform Fortschritte machen und die Rolle eines Vermittlers in Europa spielen. Wir haben mit ihm viel gemeinsam – unsere Rasse, unsere Religion, unsere gemeinsamen Interessen sind allesamt mit Preußen verwoben und unsere politischen Interessen sollten übereinstimmen. Weshalb, fuhr ich fort, sollte es Deutschland nicht gestattet sein, sich so zu konstituieren, wie es beliebt und so wie Italien es getan hat?


VII.

In einem Brief an Lord Stanley vom 4. August 1866 – verfasst unmittelbar nach dem am 26. Juli in Nikolsburg vereinbarten Vorfrieden – setzte Loftus seine Analyse fort:

Die Annexion aller norddeutschen Staaten bis zum Main wird Preußen einen Bevölkerungszuwachs von vier Millionen Menschen bescheren. So werden in einem Monat mit einer Schnelligkeit und einem Erfolg, die in der Geschichte ihresgleichen suchen, Veränderungen bewirkt worden sein, die selbst Graf Bismarck in seinen begeistertsten Augenblicken niemals erwarten hätte können. Tatsächlich ist der Erfolg der preußischen Waffen so gewaltig, so unerwartet gewesen, dass er sich mit einiger Wahrscheinlichkeit als Verlegenheit und sogar als Gefahr für das politische System erweisen könnte, das Bismarck zu bilden sucht. Sein Ziel und das der Militärpartei ist die Schaffung eines großen und mächtigen Preußen, das sich von der Ostsee bis an den Main erstreckt, und das völlige Kontrolle über die Seehäfen an den nördlichen Küsten sowie die wichtige und strategische Seestellung der Elbherzogtümer innehat. Andererseits hegt die liberale Partei in Preußen und Deutschland den Wunsch, ein geeintes Deutschland unter einer starken Macht – nämlich Preußen – zu schaffen. Dieses soll von einem nationalen Parlament vertreten werden, welches auf Grundlage der in der Frankfurter Nationalversammlung formulierten Verfassung zu bilden ist. Doch zu diesem Zweck (und sie [die Liberalen] halten den günstigen Zeitpunkt für gekommen) muss Preußen in Deutschland aufgehen, während es das Ziel Bismarcks war, Deutschland in Preußen aufgehen zu lassen.

Auf diesen Punkt wird sich die öffentliche Agitation jetzt richten, nicht nur in Preußen, sondern in ganz Deutschland. Die während des jüngsten Konflikts in den süddeutschen Staaten gezeigte Schwäche und ihre politische Zerrüttung liefern einen überzeugenden Beweis, dass es keine wesentliche Stärke oder Tatkraft geben kann, wo ein Mangel an Einheit herrscht; und die durch den Bürgerkrieg gesammelte traurige Erfahrung steht als Warnung für die süddeutsche Bevölkerung, dass die Wiederholung eines ähnlichen Unglücks allein durch die Errichtung eines einigen Deutschland unter einem einzigen Oberhaupt vermieden werden kann, wobei eine nationale Vertretung das Verbindungsglied zwischen den einzelnen Staaten bildet.

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