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Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen: Betrachtungen über den Zustand der österreichischen Armee in 1854 (Rückblick)

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Erscheinungen wie der Feldmarschallieutenant Graf Paur waren in der hohen Oesterreichischen Aristokratie nicht selten, welcher in seiner Unwissenheit so weit ging, einen Artilleriehauptmann in Arrest zu setzen, weil die beiden Haubitzen in seiner Batterie kürzere Rohre hatten als die sechs Kanonen. Er glaubte, der Hauptmann habe ein Stück Bronze abgeschnitten und gestohlen.

Ueberhaupt brachte mich zuweilen die Unwissenheit der hohen Aristokraten in der Oesterreichischen Armee ganz außer Fassung. Einer dieser Herren fragte mich einmal nach dem Kriegsspiel, das in der Preußischen Armee getrieben wurde. Ich setzte es ihm auseinander. In einer zweistündigen Unterhaltung fragte er mich nach allen Einzelheiten. Ich erklärte Alles mit größter Geduld. Als ich mich der Meinung hingab, vollkommen verstanden zu sein, sagte der Fürst L. T.: „Nun also, wie spielen Sie es denn?" — „Wieso?" — „Nun, ich meine, wie bestimmen Sie denn den Point, um den gespielt wird?" — „Aber es kann doch nicht um Geld gespielt werden!" — „Nicht um Geld? Na dann hat's doch gar kein Interesse!"

Außer einer so entsetzlich unwissenden Aristokratie, welche in der Oesterreichischen Armee den Ton angab und die meisten höchsten Chargen erreichte, mußte es doch auch ein geistiges Element geben, welches die Arbeiten machte. Das war unbedingt richtig, denn sonst hätte die Armee nicht bestehen können. Dieses geistige Element bestand aber zum großen Theil aus Emporkömmlingen oder Abenteurern, theilweise aus dem Auslande, welche reich werden wollten und die Unwissenheit der hohen Herren zu diesem Zwecke mißbrauchten. Mit diesem Faktor wurde damals in Oesterreich gerechnet. Der Feldzeugmeister Graf Wimpffen sagte mir einmal, neun Pfund Hafer für ein Pferd täglich sei viel zu wenig, denn man müsse bedenken, daß, wenn man neun Pfund Hafer für jedes Pferd in der Armee festsetze, das Pferd höchstens fünf Pfund Hafer in seinen Magen führe, und damit könne ein Pferd keine Strapazen aushalten. Daß der Intendant der Zweiten Armee, Feldmarschall-Lieutenant Baron v. Eynatten Unterschleif trieb, erzählte sich damals die ganze Oesterreichische Armee. Als er daher einige Jahre darauf, der Unterschleife überführt, sich selbst umbrachte, war ich nicht überrascht. Meine damaligen amtlichen Berichte enthalten das Betreffende.

Auch der alte Feldzeugmeister Augustin war eine in der Entfernung angestaunte Größe, eine Berühmtheit in der Artillerie. In der Nähe gesehen, schrumpfte das Meteor zu einem Sterne dritten oder vierten Grades zusammen. Er war ein alter verknöcherter Bureaukrat und vorurtheilsvoller Bombardier des vorigen Jahrhunderts, ein Feind jeder neuen Erfindung und Verbesserung, die er nur für demokratische Sünden hielt. Er hatte die Oesterreichischen Raketen erfunden, und danach konnte es nichts Besseres geben. Die Ungarischen Aufrührer hatten sich vor den Raketen gefürchtet, und dies gab der alten, von dem höchsten wissenschaftlichen Geheimniß umgebenen Waffe neuen Glanz. Als einige Jahre später der alte Augustin starb, entdeckte man auch in Oesterreich, daß die Raketen eigentlich nie etwas getroffen hatten, und man schaffte sie ab, um dafür gezogene Geschütze einzuführen.

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