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Ludwig Bamberger über die Hoffnungen auf eine parlamentarische Regierung unter Kaiser Friedrich III. (31. März 1888)

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Es ist ein eigenes Ding mit dem, was man die monarchische Anhänglichkeit an den deutschen Kaiser nennen müßte. Als einst einmal im Reichstag zu irgend einem politischen Zweck an dies Gefühl appelliert ward, antwortete der schwäbische Demokrat Payer in seiner launig scharfen Weise, daß er sich durch diesen Appell in seiner Treue gegen den angestammten württembergischen Landesvater tief gekränkt fühle, denn diesem gehöre naturgemäß und von Rechtswegen sein loyales Herz. Ein sehr gut kaiserliches Herz kann eigentlich kaum mehr ein ebenso gut württembergisches oder – die Beobachtung lehrt es – preußisches sein. Drei Herzen und ein Schlag, das ist zu viel verlangt. Ein bischen Republikanismus gehört mithin schon dazu, um recht gut kaiserlich zu sein; es muß der Landesdynastie etwas abgezwackt werden, um es auf das Kaiserhaupt zu übertragen. Und daher liegt die Vermutung gut kaiserlicher Gesinnung bei einem Liberalen näher als bei einem Nichtliberalen. Jede Föderation, auch eine von Fürsten, hat etwas Republikanisches an sich. Das Reich der verbündeten Regierungen ist eine Republik von gekrönten Häuptern, an deren Spitze – bekanntlich als Primus inter Pares – der Kaiser steht. Je besser kaiserlich einer gesinnt ist, desto mehr muß sein Wunsch dahin gehen, daß dieses Primat zu einer Wirklichkeit werde, zu einer wahrhaft monarchischen Spitze über den anderen, nicht unter gleichen. Um gut kaiserlich monarchisch zu sein, muß man in seiner häuslichen »engeren Heimat« etwas von diesem Gefühle aufgeben, wie umgekehrt die eifrigen Landesmonarchisten von zweifelhaft kaiserlicher Gesinnung erfüllt sind.

So kann man mit Recht sagen, daß die besten Liberalen auch die besten Kaiserlichen sind. Freilich ist diese Gesinnung nicht aus mystischer Gefühlsschwärmerei erwachsen. Sie ist das Produkt politischer Erwägung, aber einer so stark überlieferten und so unabweisbar richtigen, daß sie selbst in das Gefühl übergegangen ist. Wer im Jahre 1870 die Wiedergeburt Deutschlands als einer großen und freien Nation wollte, konnte den Gedanken nur unter dem Zeichen von Kaiser und Reichstag erfassen.

Und es ist daher für das Kaisertum, obgleich es, in unserer Geschichte auf Wahl beruhend, gar nicht im Geleit monarchischer Tradition sich einführte, dennoch mit merkwürdiger Triebkraft im kurzen Lauf der Jahre ein monarchischer Kultus, mächtig und lebenswarm, im Volke hoch empor gewachsen. Die Kinder werden groß in der politischen Religion des Kaisertums, in der Ehrfurcht vor der Person des Kaisers – und etwas wie Religion muß immer dabei sein, soll eine Form des Daseins festsitzen im Reich der Wirklichkeit. Der Mensch lebt nicht vom Brot des Verstandes allein, der Wein der Phantasie gehört auch dazu.

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