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Bismarcks Rede im Norddeutschen Reichstag zur Verteidigung seines Verfassungsentwurfs (11. März 1867)

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Das Recht, das der Preußische Landtag hat, zu unseren Vereinbarungen hier Nein zu sagen, es ist schon vorhin von anderer Seite hervorgehoben und ich glaube, es wird das Niemand ernstlich bestreiten, und sich dem gegenüber auf die Macht berufen, — dieses Recht hat ein jeder Landtag, so klein oder so groß er sein mag, denn wir wollen nicht in einer gewaltthätigen, sondern in einer rechtlichen Gemeinschaft leben. Bis jetzt aber sind die Widersprüche der übrigen Landtage auf dieser Tribüne nicht in einer gleichen Weise angemeldet worden, wie die des Preußischen Landtages und zwar von Seiten, von denen es mich überrascht hat. Der Vertreter einer Norddeutschen Republik begeistert sich plötzlich für die monarchische Verfassung Preußens,

(Heiterkeit)

ein katholischer Geistlicher stellt diese selbe Verfassung mit dem Heile seiner Seele an dem Leitfaden eines Bibelspruches auf dieselbe Höhe, und sprach zu uns, in Ton und Worten die tiefste Erschütterung darüber verrathend, daß an dieser Verfassung auch nur ein Artikel geändert werden könnte — auf gesetzmäßigem Wege wohlverstanden.

[ . . . ]

Wenn von anderer Seite, von Abgeordneten, mit denen ich mir mancher gemeinschaftlichen Ansicht bewußt bin, von Mitgliedern des Preußischen Abgeordnetenhauses, — von solcher Seite, von der ich glaube, daß sie wirklich das Zustandekommen der Sache will, — dennoch hier der Satz aufgestellt worden ist, daß die Preußische Verfassung über der Reichsverfassung einstweilen stehe, daß dasjenige, was hier vereinbart wird zwischen der Gesammtheit der Bundes-Regierungen, nachdem mit Mühe eine Vereinigung unter diesen erzielt worden und zwischen den frei gewählten Vertretern von 30 Millionen Deutschen, schon jetzt vor die Assisen des Preußischen Landtages citirt wurde: meine Herren, da hat mich ein demüthigendes Gefühl beschlichen, daß diejenigen, die uns neu zugetreten sind, so rasch die Illusion verlieren, die sie etwa gehabt haben könnten, daß der Mensch wirklich mit seinen größeren Zwecken wächst, und daß der weitere Gesichtskreis, den der größere Staat haben soll, sich auch allen seinen Mitgliedern mittheilt.

(Bravo!)

Die Herren, die so kurzweg hier das Wort aussprechen, daß der Preußische Landtag das Product unserer Arbeiten in den und den Fällen verwerfen oder genehmigen werde — ihre Legitimation dazu ist schon vorgestern angezweifelt worden. Aber ich möchte sie fragen: was würden Sie sagen, wenn heutzutage eine der verbündeten Regierungen schon von Hause aus erklärte: wenn dies und das nicht in der Verfassung steht, so nehme ich sie unter allen Umständen nicht an! wenn ein Stand oder eine Kaste diese selbe Erklärung abgäbe, wenn ein Mitglied der Mecklenburgischen Ritterschaft aufträte und sagte: wenn unsere Rechte nicht geschont werden — und sie wiegen auf der Wagschale der Gerechtigkeit grade ebenso schwer, wie die des Preußischen Landtags —, so spielen wir nicht mit!

(Sehr gut!)

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