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Theodor Fontane beschreibt eine konservative Wahlkampagne im ländlichen Brandenburg (1880er Jahre)

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»Na, man raus mit der Sprache. Du weißt ja, ich reiß keinem den Kopp ab. Is auch alles egal. Also für Katzenstein nich. Na, für wen denn?«

»För Torgelown.«

Dubslav lachte. »Für Torgelow, den euch die Berliner hergeschickt haben. Hat er denn schon was für euch getan?«

»Nei, noch nich.«

»Na, warum denn?«

»Joa, se seggen joa, he will wat för uns duhn un is so sihr för de armen Lüd. Un denn kriegen wi joa 'n Stück Tüffelland. Un se seggen ook, he is klöger, as de annern sinn.«

»Wird wohl. Aber er is doch noch lange nich so klug, wie ihr dumm seid. Habt ihr denn schon gehungert?«

»Nei, dat grad nich.«

»Na, das kann auch noch kommen.«

»Ach, gnäd'ger Herr, dat wihrd joa woll nich.«

»Na, wer weiß, Tuxen. Aber hier is Dietrichs-Ofen. Nu steigt ab und seht Euch vor, daß Ihr nicht fallt, wenn die Pferde anrucken. Und hier habt Ihr was. Aber nich mehr für heut. Für heut habt Ihr genug. Und nu macht, daß Ihr zu Bett kommt, und träumt von 'Tüffelland'.«


Einundzwanzigstes Kapitel

Woldemar erfuhr am andern Morgen aus Zeitungstelegrammen, daß der sozialdemokratische Kandidat, Feilenhauer Torgelow, im Wahlkreise Rheinsberg-Wutz gesiegt habe. Bald darauf traf auch ein Brief von Lorenzen ein, der zunächst die Telegramme bestätigte und am Schlusse hinzusetzte, daß Dubslav eigentlich herzlich froh über den Ausgang sei. Woldemar war es auch. Er ging davon aus, daß sein Vater wohl das Zeug habe, bei Dressel oder Borchardt mit viel gutem Menschenverstand und noch mehr Eulenspiegelei seine Meinung über allerhand politische Dinge zum besten zu geben; aber im Reichstage fach- und sachgemäß sprechen, das konnt' er nicht und wollt' er auch nicht. Woldemar war so durchdrungen davon, daß er über die Vorstellung einer Niederlage, dran er als Sohn des Alten immerhin wie beteiligt war, verhältnismäßig rasch hinwegkam, pries es aber doch, um ebendiese Zeit mit einem Kommando nach Ostpreußen hin betraut zu werden, das ihn auf ein paar Wochen von Berlin fernhielt. Kam er dann zurück, so waren Anfragen in dieser Wahlangelegenheit nicht mehr zu befürchten, am wenigsten innerhalb seines Regiments, in dem man sich, von ein paar Intimsten abgesehen, eigentlich schon jetzt über den unliebsamen Zwischenfall ausschwieg.



Quelle: Theodor Fontane, Werke, Schriften und Briefe, herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Zweiundzwanzig Dünndruckbände in vier Abteilungen. Abteilung I, Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, Bd. 5 © 1980 Carl Hanser Verlag: München, S. 162-69, 184-85, 188-95, 201-03.

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