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Gerhart Hauptmann, Vor Sonnenaufgang, Uraufführung und skandalträchtige Aufnahme durch das Publikum (20. Oktober 1889)

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FRAU KRAUSE.* Herr Kahl tut’s ock bloßig zum Prifatvergnigen.

FRAU SPILLER. Wald, Wild, Weib pflegten Seine Exzellenz der Herr Minister von Schadendorf oftmals zu sagen.

KAHL.** I..i..iberm..m..murne hab’n mer T..t..-tau..t..taubenschießen.

LOTH. Was ist denn das: Taubenschießen?

HELENE. Ach, ich kann so was nicht leiden; es ist doch nichts als eine recht unbarmherzige Spielerei. Ungezogene Jungens, die mit Steinen nach Fensterscheiben zielen, tun etwas Besseres.

HOFFMANN. Du gehst zu weit, Helene.

HELENE. Ich weiß nicht — meinem Gefühl nach hat es weit mehr Sinn, Fenster einzuschmeißen, als Tauben an einem Pfahl festzubinden und dann mit Kugeln nach ihnen zu schießen.

HOFFMANN. Na, Helene — man muß doch aber bedenken . . .

LOTH, irgend etwas mit Messer und Gabel schneidend. Es ist ein schandhafter Unfug.

KAHL.*** Um die p..poar Tauba . . . !

FRAU SPILLER, zu Loth. Der Herr Kahl —m—, müssen Sie wissen, haben zweihundert Stück im Schlage.

LOTH. Die ganze Jagd ist ein Unfug.

HOFFMANN. Aber ein unausrottbarer. Da werden zum Beispiel eben jetzt wieder fünfhundert lebende Füchse gesucht; alle Förster hier herum und auch sonst in Deutschland verlegen sich aufs Fuchsgraben.

LOTH. Was macht man denn mit den vielen Füchsen?

HOFFMANN. Sie kommen nach England, wo sie die Ehre haben, von Lords und Ladys gleich vom Käfig weg zu Tode gehetzt zu werden.

LOTH. Muhammedaner oder Christ, Bestie bleibt Bestie.

HOFFMANN. Darf ich dir Hummer reichen, Mama?

FRAU KRAUSE.+ Meinswegen, ei dieser Saisong sind se sehr gutt!

FRAU SPILLER. Gnädige Frau haben eine so feine Zunge —m—!

FRAU KRAUSE, zu Loth. Hummer ha’n Sie woll auch noch nich gegassen, Herr Dukter?

LOTH. Ja, Hummer habe ich schon hin und wieder gegessen — an der See oben, in Warnemünde, wo ich geboren bin.

FRAU KRAUSE,++ zu Kahl. Gell, Wilhelm, ma weeß wirklich’n Gott manchmal nich mee, was ma assen sull?


* ‘FRAU KRAUSE. Herr Kahl tut’s auch bloß zum Privatvergnügen.’
** ‘KAHL. Übermorgen haben wir Taubenschießen.’
*** ‘KAHL. Um die paar Tauben!’
+ ‘FRAU KRAUSE. Meinetwegen, in dieser Saison sind sie sehr gut!’
++ ‘FRAU KRAUSE. Gelt, Wilhelm, man weiß wirklichen Gottes manchmal nicht mehr, was man essen soll?’

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