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Hofprediger Adolf Stöcker thematisiert den Antisemitismus in der Christlich-Sozialen Arbeiterpartei (19. September 1879)

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Hier stellen wir unsere erste Forderung und bitten: ein klein wenig bescheidener! Wir leugnen nicht, daß Israel die Erkenntniß des persönlichen, einigen Gottes durch das Alterthum wie eine heilige Flamme getragen hat, bis Christus kam und den vollkommeneren Glauben, den reicheren Gottesbegriff und die höhere Wahrheit brachte. Aber es ist doch eine historische Thatsache, daß das Volk Israel immer und immer in den gröbsten Götzendienst zurückfiel, daß Gott nur durch die Sendung gewaltiger Persönlichkeiten den Abfall auf kurze Zeit dämpfen konnte. Israels Verdienst ist es wahrlich nicht, daß die Lehre von dem einigen Gott der Welt erhalten blieb, sondern Gottes Gnade. Ebenso ist es unzweifelhaft, daß die Gedanken der Religionsfreiheit, der Toleranz in dem modernen Sinne nicht zu dem Charakter des Alten Testaments gehören. Wer den Sabbath brach, wurde gesteinigt; die Baalspriester wurden geschlachtet. Es gehörte dies zu der Eigenthümlichkeit der gesetzlichen Anstalt; wir sind fern davon, dem Alten Testament daraus einen Vorwurf zu machen. Aber es ist doch durchaus irrig, wenn die Juden Ideen, die ihrer Religion in der historischen Form gänzlich unbekannt sind, für sich in Anspruch nehmen. Dabei wissen sie, daß sie eine Priesterkaste hatten – gewiß das Gegentheil der Gleichheit –, daß sie die Sclaverei übten – gewiß das Gegentheil der Freiheit – daß sie die Vielweiberei pflegten – gewiß das Gegentheil idealen Familienlebens. Erst das germanisch-christliche Leben hat diesen Mißständen abgeholfen. Es ist wahr, Israel hatte eine erleuchtete wirthschaftliche Gesetzgebung: sociale Eigenthumsformen, Verbot des Zinses, höchste Barmherzigkeit gegen die Armen. Aber wir brauchen diese Dinge nur zu nennen, um den furchtbaren Abstand zwischen dem Alten Testament und dem modernen Judenthum zu fühlen. Nur das deutsche Recht hat den Begriff des gemeinschaftlichen Besitzes geschirmt, nur die christliche Kirche hat das Zinsverbot ausgesprochen; gerade hier liegen die Fehler und Sünden des modernen Judenthums vor Aller Augen.

Und zugegeben einmal, daß jene hohe Mission wirklich Israels dauernde Aufgabe ist, wer sind denn die vom Geiste Gottes glühenden Denker und Dichter, welche den lebendigen Gott verkünden, preisen, zu Ehren bringen? Etwa die Redacteure des Tageblatt? Oder die Gelehrten des Kladderadatsch?? Wo ist die Prophetenschule heiligen Geistes, in welcher die Jünglinge gebildet werden zu jener Weltmission? Wo sind die Stationen? Wo sind die Missionare? Etwa an den Börsen in Berlin, Wien und Paris? O nein, solche Thorheiten muß man den Juden nicht sagen. Eben das ist ihr Verhängniß, daß sie, an Christo gescheitert, ihren göttlichen Curs verloren, ihre hohe Mission preisgegeben haben und nach dem schneidigen Entweder – Oder des Herrn Jesu: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ – den Götzen des Goldes nachlaufen, weil sie die Wege Gottes versäumt haben.

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