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Das Religionsverständnis der Arbeiter (1890)

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Darauf fragte einer, ob das auch um die Zeit des trojanischen Krieges herum passiert wäre. Den trojanischen Krieg kennte er genau, hätte ihn gelesen. Und er schilderte ganz richtig und gut den Verlauf der homerischen Geschichte. Ich glaube, er hatte das Reklamheft, das Homers Ilias enthält, in der Hand gehabt.

Dann sprang das Gespräch auf Ägypten über, auf die Pharaonen, von denen ebenfalls alle wußten. Wir redeten von den Pyramiden, die sie vor allem um der Menschen willen lebhaft beschäftigten, die einst mühsam, mit unsäglichen Strapazen ihre Steine aufeinander getürmt hatten.

H: Das waren die Lasttiere, die Sklaven vor 4000 Jahren; wir Fabrikarbeiter von heute sind die Sklaven und Lasttiere der Gegenwart.

Das ist zu viel behauptet, erwiderte ich und wies z. B. auf die viel bessere allgemeine Bildung hin, die heute alle besitzen.

Das bestritt H:

Die Leute waren damals nicht ungebildeter und unklüger, als sie heute im Durchschnitt sind. Nein, früher waren sie noch viel klüger als jetzt, mischte sich halb ironisch halb ernsthaft der andre, S. mit Namen, ein. Früher konnte man sogar Wasser in Wein verwandeln. Er sagte das unsicher, und ich konnte nicht erkennen, wie er selbst darüber dachte.

Mein Monteur lachte laut auf, als er das hörte, und H. lächelte auch überlegen dazu. So fuhr S. fort: Ja freilich, das ist Glauben, aber ....

Aber der Monteur schnitt ihm kurzer Hand das Wort ab: Ach was, unser Glaube ist, daß zehn Pfund Rindfleisch eine gute Brühe geben.

Und jener wagte keine Entgegnung mehr. Dann redeten wir weiter und kamen wieder auf wirtschaftliche Dinge, wobei ich einmal das Schlagwort „Soziale Frage“ in den Mund nahm. Sofort stach das H. auf und meinte überlegen, ich wüßte doch nicht, was die soziale Frage sei.

Das kommt noch darauf an, antwortete ich. Das ist in der That auch nicht so leicht zu sagen. Darüber kann man Stunden, Tage, Wochen lang reden. Aber jedenfalls ist sie ein Ungeheuer von vielen Fragen und mit zwei Seiten, der materiellen und der geistigen Seite, genau wie der Mensch aus Körper und Geist besteht.

Aber der Monteur und H. lachten laut auf:

Geist? Geist giebts nicht. Es giebt nur ein Gehirn, ein Nervensystem, das funktioniert, wie die Maschine. Diese Funktion, das, was dabei herauskommt, nennt man heutzutage Geist.

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