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Der Einfluss der Leihbibliotheken auf den Romanabsatz (1884)

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Wenn wir trotzdem behaupten, daß nie mehr Romane gekauft wurden als zu unserer Zeit, so werden wir den Beweis weiter unten nicht schuldig bleiben. Hausbibliotheken werden allerdings nur noch in seltenen Fällen angelegt; die Freude hieran finden wir fast nur bei unserer Jugend, doch überdauert sie nicht das Gymnasium. Diese Hausbibliothek umfaßt meistens nur die Universalbibliothek, die zugleich dem Schüler treffliches Material zu seinen Studien bietet. Wir dürfen uns jedoch keiner großen Hoffnung hingeben, daß diese Gewohnheit der Knabenjahre sich auch beim Manne erhalten werde. Während der Universitätsjahre vollzieht sich der Stoffwechsel, Buch in Bier, wobei die Erfahrung resultirt, daß das erzielte Quantum Bier in schreiendem Mißverhältniß steht zu den einstigen Anschaffungskosten der Bücher. Nach dieser Erfahrung beschließt der Jüngling, nur noch jene Bücher zu kaufen, die der Beruf erfordert.

Höre man doch endlich auf mit Klagen, die an die falsche Adresse gerichtet sind, – erkenne man endlich, daß die Ursachen des Uebels bei Denen zu suchen sind, von denen die Klagen ausgehen! Haben wir vielleicht je gesehen, daß einer von Denen, die mit so großer sittlicher Entrüstung dem Publicum, dem Leihbibliothekar ihre Vorwürfe zuschleudern, selbst mit gutem Beispiele vorangegangen sind und Romane zu zehn bis fünfzehn Mark für eine Hausbibliothek gekauft haben? Was man selbst unterläßt, wofür man hundert Entschuldigungsgründe für sich bereit hat, das glaubt man berechtigt zu sein, von Anderen verlangen zu können.

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Wenn nun auch ganze Schichten der Bevölkerung sich den ständigen Romankauf versagen, wenn die Hausbibliothek auch mehr und mehr zur Seltenheit wird, so haben wir als Ersatz dafür andere Käufer, andere Methoden.

Wir haben einmal den Gelegenheitskauf zu Geschenken und für die Reise. Sahen wir nicht, wie vor jedem Weihnachtsfeste der letzten Jahre der neue Roman von Ebers in vielen Auflagen für solche Zwecke gekauft wurde? Sehen wir nicht, wie es mehr und mehr Mode wird, den guten Roman dazu zu verwenden? Freilich mit dem Roman von Schmierowsky darf man einer bekannten Familie, der man eine Aufmerksamkeit erweisen will, nicht kommen, selbst wenn seinetwegen die große Trommel gerührt wird.

Wir haben außerdem noch den Bücherliebhaber, der allerdings auch nur mit verständiger Auswahl kauft, und alle Jene, deren Bedarf ein so geringer ist, daß die Leihbibliothek sich für ihn nicht eignet. In Summa fallen Letztere immerhin ins Gewicht.

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