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August Bebel, „Die Frau und der Sozialismus” (1879)

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Aber indem die Menschheit zum Ausgangspunkt ihrer Entwicklung zurückkehrt, geschieht dies auf unendlich höherer Kulturstufe als jene war, von der sie ausgegangen ist. Besaß die Urgesellschaft in der Gens, im Clan, das Gemeineigentum, so nur in rohester Form und auf unentwickelter Stufe. Der Entwicklungsgang, der sich seitdem vollzog, hat zwar das Gemeineigentum bis auf kleine unbedeutende Reste aufgelöst, die Gentes zertrümmert und schließlich die ganze Gesellschaft atomisiert, er hat aber auch in seinen verschiedenen Phasen die Produktivkräfte der Gesellschaft und die Vielseitigkeit der Bedürfnisse in gewaltigster Weise gesteigert, aus den Gentes und Stämmen die Nationen und großen Staaten geschaffen, aber damit wieder einen Zustand erzeugt, der mit den Bedürfnissen der Gesellschaft in den schreiendsten Widerspruch tritt. Die Aufgabe der Zukunft ist, diesen Widerspruch dadurch zu lösen, daß auf breitester Basis die Rückverwandlung des Eigentums und der Arbeitsmittel in gemeinsames Eigentum vorgenommen wird.

Die Gesellschaft nimmt zurück, was sie einst besessen und selbst geschaffen, sie ermöglicht aber allen, entsprechend den neugeschaffenen Lebensbedingungen, die Lebenshaltung auf höchster Kulturstufe, das heißt, sie gewährt allen, was unter primitiveren Verhältnissen nur das Privilegium einzelner oder einzelner Klassen sein konnte. Und jetzt erhält auch die Frau die aktive Rolle wieder, die sie einst in der Urgesellschaft innehatte, aber nicht als Herrin, sondern als Gleichberechtigte.

»Das Ende der staatlichen Entwicklung gleicht dem Beginn des menschlichen Daseins. Die ursprüngliche Gleichheit kehrt zuletzt wieder. Das mütterlich stoffliche Dasein eröffnet und schließt den Kreislauf der menschlichen Dinge«, schreibt Bachofen in seinem Werke »Das Mutterrecht«. Und Morgan äußert:

»Seit dem Eintritt der Zivilisation ist das Wachstum des Reichtums so ungeheuer geworden, seine Formen so verschiedenartig, seine Anwendung so umfassend und seine Verwaltung so geschickt im Interesse der Eigentümer, daß dieser Reichtum dem Volke gegenüber eine nicht zu bewältigende Macht geworden ist. Der Menschengeist steht ratlos und gebannt da vor seiner eigenen Schöpfung. Aber dennoch wird die Zeit kommen, wo die menschliche Vernunft erstarken wird zur Herrschaft über den Reichtum, wo sie feststellen wird sowohl das Verhältnis des Staates zu dem Eigentum, das er schützt, wie die Grenze der Rechte der Eigentümer. Die Interessen der Gesellschaft gehen den Einzelinteressen absolut vor, und beide müssen in ein gerechtes und harmonisches Verhältnis gebracht werden; die bloße Jagd nach Reichtum ist nicht die Endbestimmung der Menschheit, wenn anders der Fortschritt das Gesetz der Zukunft bleibt, wie er es war für die Vergangenheit. Die seit Anbruch der Zivilisation verflossene Zeit ist nur ein kleiner Bruchteil der verflossenen Lebenszeit der Menschheit, nur ein kleiner Bruchteil der ihr noch bevorstehenden. Die Auflösung der Gesellschaft steht drohend vor uns als Abschluß einer geschichtlichen Laufbahn, deren einziges Endziel der Reichtum ist; denn eine solche Laufbahn enthält die Elemente ihrer eigenen Vernichtung.

Demokratie in der Verwaltung, Brüderlichkeit in der Gesellschaft, Gleichheit der Rechte, allgemeine Erziehung werden die nächste, höhere Stufe der Gesellschaft einweihen, zu der Erfahrung, Vernunft und Wissenschaft stetig hinarbeiten.

Sie wird eine Wiederbelebung sein – aber in höherer Form – der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der alten Gentes.«

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