GHDI logo

Franz Rehbein, Landarbeiter (um 1890)

Seite 4 von 7    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Eines der unangenehmsten Dinge in der Ernte sind die Regentage. Dann kommt man und kommt mit der Arbeit nicht vorwärts, so gerne man auch will. Solange es nur fein herniederrieselt, geht’s noch, man fragt nicht viel darnach; regnet es aber Strippen, oder gießt ein Gewitterschauer herunter, so daß man bald keinen trockenen Faden mehr an sich hat, dann muß man doch die Arbeit unterbrechen. Dann sitzt man da hinter den Hocken in nassen Kleidern und lauert, daß es sich aufhellen soll, kaum aber ist eine Flage vorüber, so kommt eine neue, womöglich noch stärkere. Den Körper durchschüttelt ein unbehagliches Gefühl; halb schwitzt man, halb friert man. Scheint dann endlich die Sonne wieder, so heißt es mit verdoppelter Anspannung ans Werk gehen; denn das Versäumte muß soweit wie möglich eingeholt werden. Knapp gönnt man sich die Zeit zum Essen. Mit vermehrter Wucht schwingt der Arm die scharfe Sichte; Schwad legt sich an Schwad, betropft vom Schweiß des Schaffenden. Garbe um Garbe schnürt die Binderin mit flinker Hand, kaum daß sie sich aufrichtet, um einen tieferen Atemzug zu tun. Und wie oft muß die Sichte fallen, und wieviel Garben sind zu binden, ehe ein Morgen Land in Hocken steht!

Endlich spät, spät abends, wenn die ermüdenden Glieder schon fast den Dienst versagen, wird das Tagewerk beendet. Längst ist die Sonne untergegangen und nebeliges Abenddunkel lagert über den Feldern, dann erst wird Feierabend gemacht. Die Natur verlangt schließlich ihr Recht, der Körper muß neue Kräfte sammeln. Etwa eine Stunde bevor wir Mannsleute mit der Arbeit aufhielten, trat meine Frau mit ihrem Kinderwagen den Heimweg an, um das Essen gar zu haben, wenn ich um 9 oder 10 Uhr nach Hause kam. Öfters arbeitete ich allerdings auch die ganze Nacht hindurch, nur daß ich eine oder zwei Stunden im Hocken ruhte. Denn da es in der Regel – besonders bei schwerem Korn – die Kraft einer Frau übersteigt, so viel hochzustellen wie zwei Hauer niederlegen können, so hockte ich nach meinem eigentlichen Feierabend noch immer die Garben auf, die meine Frau nicht zu bewältigen vermochte, und nach Regentagen mußte ich dann zuweilen eine Nacht mit zu Hilfe nehmen, um tagsüber mit meinem Nebenmann, dessen Frau krankheitshalber nicht mittun konnte, in gleichem Zug zu bleiben.

Das Einfahren wurde dann im Tagelohn verrichtet, wobei es auch die Kost auf dem Hofe gab. Alles was an Wagen und Gespannen vorhanden war, wurde in Stand gesetzt, um den Erntesegen unter Dach und Fach zu bringen, und dann hieß es auch da: was hast du, was kannst du? Mit Bienenfleiß wird Wagen auf Wagen beladen und entladen, und mit voller Fuhre geht es im scharfen Trab, damit keine unnützen Pausen entstehen. Die Pferde werden jetzt nicht geschont, und die Menschen schonen sich von selber nicht; wissen sie doch, was unter Umständen von ihrem Fleiß und ihrer Ausdauer abhängt. Kommt gar der Landwirt und sagt: »Lüd’, dat Wedderglas is fullen, de Regen hangt uns bövern Kopp«, dann wird kaum mehr ein Wort während der Arbeit gesprochen. In der Scheune hört man nur noch das tickende Aufklappen der Forken und das keuchende Atmen der Abstaker und Zuschmeißer. Kaum ist der entladene Wagen von der Diele geschoben, so rollt auch schon ein neuer, voller herein, denn auch auf dem Felde tun Aufstaker und Lader, was sie können, um Akker auf Acker zu räumen. So geht’s, mitunter bis in die sinkende Nacht. Ach, nach solchem Tage, aus dem häufig genug anderthalbe werden, fühlt man des Abends seine Glieder; man weiß, was man getan hat. Meine Frau wurde danach öfters derartig von Müdigkeit übermannt, daß ihr die Augen zufielen, wenn sie unserem Kinde die Brust gab.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite