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Antrag des Herzogtums Nassau auf völlige Emanzipation der Juden (1846)

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Vorstande des Kreises Simmern an den König gerichteten, durch den Druck veröffentlichten Petition die Worte: „Man möchte ihnen doch nicht (durch Ausschließung vom Kriegsdienste) die trostlose Aussicht eröffnen, daß ihre Nachkommen würden, was ihre Vorfahren in finsterer Zeit und durch finstere Zeiten waren: ein Geschlecht ohne Mut, ohne Selbstgefühl, ohne Nationalgefühl, nur Last dem Staate wie sich selbst." Wenn die Juden so bewähren, daß sie nicht nur, wie der 16. Artikel der Bundesakte ihnen auflegt, bereit sind, alle bürgerlichen Pflichten zu erfüllen, sondern es als eine Ehrenkränkung betrachten, wenn sie der Staat der Pflicht überheben will, ihr Blut für ihn zu vergießen, haben sie da nicht die Bedingung redlich erfüllt, gegen welche ihnen eben dieser Artikel die bürgerlichen Rechte in allen Bundesstaaten zusichert? Haben sie dadurch nicht den überzeugendsten Beweis gegeben, daß die deutschen Juden unserer Zeit sich mit Herz und Seele der deutschen Nationalität anschließen und Gesetze, die ganz andern Juden gelten, auf sie nicht mehr anwendbar sind? . . .

Es ist aber darum nicht minder wahr und steht nach den Erklärungen des jüdischen, größtenteils aus orthodoxen Rabbinern bestehenden Sanhedrin, welcher in Frankreich im Jahre 1806 versammelt war, aus den Entscheidungen der deutschen Rabbinerversammlung in Braunschweig und Frankfurt, welche von zwei Nassauischen Rabbinern beschickt war, wie nicht minder aus den Erklärungen ihrer zelotischen Gegner unumstößlich fest, daß die jüdische Religion zu allen Zeiten ihren Bekennern die Beobachtung der Staatsgesetze als eine der höchsten Pflichten auferlegt. Gehen Sie, meine Herren, die Lehrbücher der jüdischen Religion durch, welche in Deutschland ihrem Religionsunterricht zugrunde liegen, und Sie werden sich überzeugen, daß nichts darin enthalten ist, was nicht mit dem Gebote der Liebe, mit den Anforderungen des Staates und der Zivilisation im vollen Einklange stände. Auch hier steht die Erfahrung den Ansprüchen der Juden zur Seite. Kein Jude weigert sich, an seinen Festen Kriegsdienste zu leisten. Jüdische Staatsdiener werden, das versteht sich von selbst, ebensowenig an ihren Festen von den Berufsarbeiten dispensiert werden können, welche der Staat ihnen auferlegt, und es noch weniger wollen. Ohnehin ist der deutsche Jude unserer Zeit ebensowenig der des Mittelalters, als der protestantische Christ unserer Zeit mit Calvin und Melanchton für die Verbrennung des Servet oder der katholische für Inquisition sein würde. So spricht Religion und Politik, Erfahrung und Zivilisation für den Antrag, welchen ich die Ehre habe, hiermit an die Kammer zu richten: Es wolle dieselbe hohe Staatsregierung um die Vorlage eines Gesetzes ersuchen, welches die gegen die Nassauischen Juden bestehenden Ausnahmsgesetze aufhebe und auf der Grundlage beruhe, denselben gegen Erfüllung derselben Pflichten, dieselben bürgerlichen und politischen Rechte als den übrigen Staatsbürgern einzuräumen. [ . . . ]

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