GHDI logo

Paul de Lagarde über Liberalismus, Bildung und die Juden: Deutsche Schriften (1886)

Seite 8 von 9    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Man täuscht sich übrigens sehr, wenn man meint, die Judenfrage sei eine Religions- oder Toleranzfrage: sie ist ebenso sehr eine Machtfrage, wie die katholische Frage eine Machtfrage ist, nur daß Rom den Katholicismus wenigstens in Deutschland noch nicht so überwuchert hat, wie das antievangelische Judenthum es mit dem alten Israel seit Jahrhunderten gethan. Auch Geldbesitz und die Monopolisierung der Presse sind für das moderne Judenthum nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel der Herrschaft.

Unsre Aufgabe den Juden Deutschlands gegenüber – es ist ein Unglück, daß wir diese Juden nicht von den ihnen gleichen Juden der übrigen Länder scharf scheiden können – unsre Aufgabe wird uns nicht von der Nächstenliebe, sondern (man vergleiche die Thora V 15, 3 17, 15 23, 20 21) von der Feindesliebe diktiert. Diese Feindesliebe aber wäre feige, wenn sie nicht vor allen Dingen die thatsächliche Lage der Dinge klar zeichnen, und wenn sie nicht aussprechen wollte, daß Juden in dem so viele fremde Elemente enthaltenden Deutschland sehr wohl aufgenommen werden können, und auch vielfach, und zwar zur herzlichen Freude ihrer Freunde, bereits aufgenommen worden sind, daß sie aber nur um den Preis aufgenommen werden können und dürfen, dem asiatischen oder aegyptischen Kastenwesen der Kohns und Levis, das seine Proselyten nur als Juden zweiter Klasse ansehen muß, ihrem Pochen auf vorzugsweises Begnadigtsein, ihren Ansprüchen auf Weltherrschaft, der Verbindung mit ihren außerhalb Deutschlands wohnenden Blutsverwandten, ihrer aus einer werthlosen statistischen Notiz und den groteskesten Riten bestehenden Religion rückhaltslos zu entsagen. Aber auch unsere Nächstenliebe wäre feige, wenn sie nicht den Deutschen sagte, daß Deutschland die bei ihm Sohnschaft suchenden Juden mit seinen alten Kindern zu verschmelzen nur dann im Stande sein wird, wenn es den gäng und gäben Ansichten über den Werth der, wie die Redensart lautet, freimachenden Bildung Valet gesagt, und statt dieser befreienden Bildung die innerlich bindende neue Geburt aus dem heiligen Geiste heraus und in sein eigenstes, geschichtlich gewordenes Wesen hinein als das Nothwendige erkannt und an sich erlebt hat. So deutlich mich dies ausgedrückt zu sein dünkt, setze ich doch, um ja alle Misverständnisse hintanzuhalten, neben diese Sätze noch ausdrücklich die in ihnen schon liegende Erklärung hin, daß ein bloß äußerlicher Austritt aus dem seit 1800 Jahren ganz und gar unmöglichen Judenthume, das fast zwei Jahrtausende lang der Geschichte nichts gebracht hat, was auch nur einen Deut werth gewesen wäre, und ein bloß äußerlicher Eintritt in das nicht als das Ergebnis einer ungefähr zweitausendjährigen Geschichte gefaßte Deutschland unnütz, ja geradezu schädlich ist.

[ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite