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Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

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Ende Februar 1943 wurde das neu gebaute moderne Krematorium und die Vergasungsanstalt in Birkenau eröffnet. Die Vergasungen und Verbrennungen der Leichen wurden in Birkenwald aufgelassen und fortab wurden diese Prozeduren in den 4 neuen, zu diesem Zwecke gebauten Krematorien durchgeführt. Die große Grube wurde ausgeschüttet, das Terrain planiert, die Asche wurde auch schon vorher als Dünger in der Lagerlandwirtschaft Hermense verwendet, sodass man heute kaum eine Spur des fürchterlichen Massenmordens, das hier stattgefunden hat, entdecken kann.

Derzeit sind in Birkenau 4 Krematorien in Betrieb. Zwei größere I. und II und zwei kleinere III. und IV. Die Krematorien der Type I und II bestehen aus drei Teilen. A der Ofenraum, B. die große Halle, C die Vergasungskammern. (Vergleiche Fotokopie der Zeichnung) Aus der Mitte des Ofenraumes ragt ein riesiger Kamin in die Höhe. Ringsum sind 9 Öfen mit je 4 Öffnungen. Eine jede Öffnung fasst 6 normale Leichen auf einmal, welche innerhalb 1 1/2 Stunden vollkommen verbrennen. Dies entspricht einer täglichen Kapazität von etwa 2.000 Leichen. Daneben ist die große Vorbereitungshalle, die so ausgestattet ist, dass sie den Anschein erweckt, als ob man in der Halle einer Badeanstalt wäre. Sie umfasst ungefähr 2.000 Personen und es soll sich angeblich darunter noch eine grosse Wartehalle befinden.

Von hier geht eine Tür und einige Treppen führen hinunter in die etwas tiefer gelegene schmale und sehr lange Vergasungskammer. Die Wände dieser Kammer sind durch blinde Duschanlagen maskiert, sodass sie einen riesigen Waschraum vortäuscht. Am flachen Dach sind 3 durch Klappen von außen hermetisch verschließbare Fenster. Von der Gaskammer führt durch die Halle ein Gleispaar zum Ofenraum.

Die Vergasung wird nun so vorgenommen, dass die Unglücklichen in die Halle B gebracht werden, wo ihnen gesagt wird, dass sie in das Bad geführt werden. Dort müssen sie sich auskleiden und um sie in der Meinung, wonach die tatsächlich in das Bad geführt werden, zu bekräftigen, erhält ein jeder von zwei in weißen Mänteln gekleideten Männern ein Handtuch und ein Stückchen Seife. Hierauf werden sie in die Gaskammer C gedrängt. 2.000 Personen füllen diese Kammer derart, dass ein jeder nur aufrecht stehen kann. Um diese Menschen in die Kammer einpferchen zu können, werden öfters Schüsse abgegeben, um die sich bereits in den Kammern Befindlichen zu veranlassen, dass sie sich zusammendrängen. Wenn schon alles in der Kammer ist, wird die schwere Tür geschlossen. Eine kleine Zeit wird dann abgewartet, vermutlich darum, dass die Temperatur auf eine gewisse Höhe steigen soll, dann steigen SS-Männer mit Gasmasken auf das Dach, öffnen die Fensterklappen und schütten aus Blechdosen ein Präparat in Staubform in die Kammer. Die Dosen tragen die Aufschrift: "Cyklon" zur "Schädlingsbekämpfung" und werden in einer Hamburger Fabrik erzeugt. Es ist anzunehmen, dass es sich um ein Cyanpräparat handelt, welches sich bei einer gewissen Temperatur vergast. Nach 3 Minuten ist in der Kammer alles tot. Es ist bisher noch niemand angetroffen worden, der bei Öffnung der Kammer ein Lebenszeichen gegeben hätte, was bei dem primitiven Verfahren im Birkenwalde keine Seltenheit war. Die Kammer wird dann geöffnet, gelüftet und das Sonderkommende führt die Leichen auf flachen Feldbahnwagen zum Ofenraum, wo die Verbrennung stattfindet. Die beiden anderen Krematorien III und IV sind im großen und Ganzen auf ähnlicher Grundlage errichtet, ihre Kapazität ist aber halb so groß. Die Gesamtkapazität der 4 Krematorien in Birkenau ist somit 6000 Vergasungen und Krematorien täglich.

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