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Zusammenfassung des Treffens Hitlers mit den Befehlshabern der Streitkräfte am 5. November 1937 (Hossbach-Protokoll vom 10. November 1937)

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In gewissere Nähe sähe der Führer den Fall 3 gerückt, der sich aus den derzeitigen Spannungen im Mittelmeer entwickeln könne und den er eintretendenfalls zu jedem Zeitpunkt, auch bereits im Jahre 1938, auszunutzen entschlossen sei.

Nach den bisherigen Erfahrungen beim Verlauf der kriegerischen Ereignisse in Spanien sähe der Führer deren baldige Beendigung noch nicht bevorstehend. Berücksichtige man den Zeitaufwand der bisherigen Offensiven Franco's, so könne eine Kriegsdauer von etwa noch drei Jahren im Bereich der Möglichkeit liegen. Andererseits sei vom deutschen Standpunkt ein 100%iger Sieg Francos auch nicht erwünscht; wir seien vielmehr an einer Fortdauer des Krieges und der Erhaltung der Spannungen im Mittelmeer interessiert. Franco im ungeteilten Besitz der spanischen Halbinsel, schalte die Möglichkeit weiterer italienischer Einmischung und den Verbleib Italiens auf den Balearen aus. Da unser Interesse auf die Fortdauer des Krieges in Spanien gerichtet sei, müsse es Aufgabe unserer Politik in nächster Zeit sein, Italien den Rücken für weiteren Verbleib auf den Balearen zu stärken. Ein Festsetzen der Italiener auf den Balearen sei aber weder für Frankreich noch für England tragbar und könne zu einem Krieg Frankreichs und Englands gegen Italien führen, wobei Spanien – falls völlig in weißer Hand – an der Seite der Gegner Italiens auf den Plan treten könne. In einem solchen Krieg sei ein Unterliegen Italiens wenig wahrscheinlich. Zur Ergänzung seiner Rohstoffe stehe der Weg über Deutschland offen. Die militärische Kriegführung seitens Italien stelle der Führer sich derart vor, daß es an seiner Westgrenze gegen Frankreich defensiv bleibe und den Kampf gegen Frankreich aus Lybien heraus gegen die nordafrikanischen französischen Kolonialbesitzung führe.

Da eine Landung französisch-englischer Truppen an den Küsten Italiens ausscheide und eine französische Offensive über die Alpen nach Oberitalien sehr schwierig sein dürfte und sich voraussichtlich an den starken italienischen Befestigungen festlaufen würde, läge der Schwerpunkt der Handlugen in Nordafrika. Die Bedrohung der französischen Transportwege durch die italienische Flotte werde in starkem Umfang den Transport von Streitkräften aus Nordafrika nach Frankreich lahm legen, so daß Frankreich an den Grenzen gegen Italien und Deutschland nur über die Streitkräfte des Heimatlandes verfüge.

Wenn Deutschland diesen Krieg zur Erledigung der tschechischen und österreichischen Frage ausnutze, so sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß England – im Kriege mit Italien liegend – sich nicht zu einem Vorgehen gegen Deutschland entschließen würde. Ohne die englische Unterstützung sei eine kriegerische Handlung Frankreichs gegen Deutschland nicht zu erwarten.

Der Zeitpunkt unseres Angriffs auf die Tschechei und Österreich müsse abhängig von dem Verlauf des italienisch-englisch-französischen Krieges gemacht werden und läge nicht etwa gleichzeitig mit der Eröffnung der kriegerischen Handlungen dieser drei Staaten. Der Führer denke auch nicht an militärische Abmachungen mit Italien, sondern wolle in eigener Selbständigkeit und unter Ausnutzung dieser sich nur einmal bietenden günstigen Gelegenheit den Feldzug gegen die Tschechei beginnen und durchführen, wobei der Überfall auf die Tschechei „blitzartig schnell“ erfolgen müsse.

Feldmarschall von Blomberg und Generaloberst von Fritsch wiesen bei der Beurteilung der Lage wiederholt auf die Notwendigkeit hin, daß England und Frankreich nicht als unsere Gegner auftreten dürften, und stellten fest, dass durch den Krieg gegen Italien das französische Heer nicht in dem Umfrage gebunden sei, daß es nicht noch mit Überlegenheit an unserer Westgrenze auf den Plan treten könne. Die mutmaßlich an der Alpengrenze gegenüber Italien zum Einsatz gelangenden französischen Kräfte veranschlagte Generaloberst von Fritsch auf etwa 20 Divisionen, so daß immer noch eine starke französische Überlegenheit an unserer Westgrenze bliebe, der als Aufgabe nach deutschem Denken der Einmarsch in das Rheinland zu unterstellen sei, wobei noch besonders der Vorsprung Frankreichs in der Mobilmachung in Rechnung zu stellen und zu berücksichtigen sei, daß abgesehen von dem ganz geringen Wert unseres derzeitigen Standes der Befestigungsanlagen – worauf Feldmarschall von Blomberg besonders hinwies – die für den Westen vorgesehenen vier mot[orisierten] Divisionen mehr oder weniger bewegungsunfähig seien. Hinsichtlich unserer Offensive nach Südosten machte Feldmarschall von Blomberg nachdrücklich auf die Stärke der tschechischen Befestigungen aufmerksam, deren Ausbau den Charakter einer Maginot-Linie angenommen hätte und unseren Angriff aufs Äußerste erschwere.

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