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„Mit brennender Sorge”: Enzyklika über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich (14. März 1937)

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An die Priester und Ordensleute

Ein besonderes Wort der Anerkennung, der Aufmunterung, der Mahnung richten Wir an die Priester Deutschlands, denen in Unterordnung unter ihre Bischöfe in schwerer Zeit und unter harten Umständen die Aufgabe obliegt, der Herde Christi die rechten Wege zu weisen in Lehre und Beispiel, in täglicher Hingabe, in apostolischer Geduld. Werdet nicht müde, geliebte Söhne und Mitteilhaber an den heiligen Geheimnissen, dem Ewigen Hohenpriester Jesus Christus zu folgen in Seiner Samariterliebe und Samaritersorge. Bewähret euch Tag für Tag in makellosem Wandel vor Gott, in unablässiger Selbstzucht und Selbstvervollkommnung, in erbarmender Liebe zu allen euch Anvertrauten, insbesondere zu den Gefährdeten, den Schwachen und Schwankenden. Seid die Führer der Treuen, die Stütze der Strauchelnden, die Lehrer der Zweifelnden, die Tröster der Trauernden, die uneigennützigen Helfer und Berater aller. Die Prüfungen und Leiden, durch die euer Volk in der Nachkriegszeit hindurchgeschritten ist, sind nicht spurlos an seiner Seele vorübergegangen. Sie haben Spannungen und Bitterkeiten hinterlassen, die erst langsam ausheilen können, deren echte Überwindung nur möglich sein wird im Geiste uneigennütziger und tätiger Liebe. Diese Liebe, die das unentbehrliche Rüstzeug des Apostels ist, zumal in der aufgewühlten und haß verzerrten Welt der Gegenwart, wünschen und erflehen Wir euch vom Herrn in überreichem Maße. Diese apostolische Liebe wird euch viele unverdiente Bitterkeiten, wenn nicht vergessen, so doch verzeihen lassen, die auf euren Priester-und Seelsorgspfaden heute zahlreicher sind als je zuvor. Diese verstehende Liebe zu den Irrenden, ja selbst zu den Schmähenden bedeutet allerdings nicht und kann nicht bedeuten irgendwelchen Verzicht auf die Verkündigung, die Geltendmachung, die mutige Verteidigung der Wahrheit und ihre freimütige Anwendung auf die euch umgebende Wirklichkeit. Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Priesters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit, und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums, gleich in welcher Form, in welcher Verkleidung, in welcher Schminke er einherschreiten mag. Der Verzicht hierauf wäre nicht nur ein Verrat an Gott und eurem heiligen Beruf; er wäre auch eine Sünde an der wahren Wohlfahrt eures Volkes und Vaterlandes. All denen, die ihren Bischöfen die bei der Weihe versprochene Treue gehalten, all denen, die wegen Ausübung ihrer Hirtenpflicht Leid und Verfolgung tragen mußten und müssen, folgt – für manche bis in die Kerkerzelle und das Konzentrationslager hinein – der Dank und die Anerkennung des Vaters der Christenheit.

Den katholischen Ordensleuten beiderlei Geschlechts gilt ebenfalls Unser väterlicher Dank, verbunden mit inniger Anteilnahme an dem Geschick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von ihnen aus segensreicher und liebgewonnener Berufsarbeit herausgerissen hat. Wenn einzelne gefehlt und sich ihres Berufes unwürdig erwiesen haben, so mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen nicht die Verdienste der gewaltigen Überzahl, die in Uneigennützigkeit und freiwilliger Armut bemüht war, ihrem Gott und ihrem Volk mit Hingabe zu dienen. Der Eifer, die Treue, das Tugendstreben, die tätige Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft der in Seelsorge, Krankendienst und Schule wirkenden Orden sind und bleiben ein ruhmwürdiger Beitrag zur privaten und öffentlichen Wohlfahrt, dem zweifellos eine spätere, ruhigere Zeit mehr Gerechtigkeit wird widerfahren lassen als die aufgewühlte Gegenwart. Wir haben das Vertrauen zu den Leitern der Ordensgenossenschaften, daß sie die Schwierigkeiten und Prüfungen zum Anlaß nehmen, um durch verdoppelten Eifer, vertieftes Gebetsleben, heiligen Berufsernst und echt klösterliche Zucht von dem Allmächtigen neuen Segen und neue Fruchtbarkeit auf ihre schwere Arbeit herabzurufen.

An die Getreuen aus dem Laienstande

Vor Unserem Auge steht die unübersehbar große Schar treuer Söhne und Töchter, denen das Leid der Kirche in Deutschland und ihr eigenes Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache Gottes, nichts von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe und Priester, nichts von ihrer freudigen Bereitschaft, auch in Zukunft – komme, was da wolle – dem treu zu bleiben, was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe erworben haben. Ihnen allen senden Wir aus gerührtem Herzen Unsern Vatergruß.

Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die Treue hielten und sich nicht bereit fanden, die Rechte preiszugeben, die ein feierliches Abkommen der Kirche und ihnen nach Treu und Glauben gewährleistet hatte.

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