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„Mit brennender Sorge”: Enzyklika über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich (14. März 1937)

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Habet acht, Ehrwürdige Brüder, auf den in Rede und Schrift zunehmenden Mißbrauch, den dreimal heiligen Gottesnamen anzuwenden als sinnleere Etikette für irgend ein mehr oder minder willkürliches Gebilde menschlichen Suchens und Sehnens. Wirkt unter Euren Gläubigen dahin, daß sie solcher Verirrung mit der wachsamen Ablehnung begegnen, die sie verdient. Unser Gott ist der persönliche, übermenschliche, allmächtige, unendlich vollkommene Gott, einer in der Dreiheit der Personen, dreipersönlich in der Einheit des göttlichen Wesens, der Schöpfer alles Geschaffenen, der Herr und König und letzte Vollender der Weltgeschichte, der keine Götter neben sich duldet noch dulden kann.

Dieser Gott hat in souveräner Fassung Seine Gebote gegeben. Sie gelten unabhängig von Zeit und Raum, von Land und Rasse. So wie Gottes Sonne über allem leuchtet, was Menschenantlitz trägt, so kennt auch Sein Gesetz keine Vorrechte und Ausnahmen. Regierende und Regierte, Gekrönte und Ungekrönte, Hoch und Niedrig, Reich und Arm stehen gleichermaßen unter Seinem Wort. Aus der Totalität Seiner Schöpferrechte fließt seinsmäßig die Totalität Seines Gehorsamsanspruchs an die Einzelnen und an alle Arten von Gemeinschaften. Dieser Gehorsamsanspruch erfaßt alle Lebensbereiche, in denen sittliche Fragen die Auseinandersetzung mit dem Gottesgesetz fordern und damit die Einordnung wandelbarer Menschensatzung in das Gefüge der unwandelbaren Gottessatzung.

Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer (Is. 40,15), in die Grenzen eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.

Die Bischöfe der Kirche Christi, aufgestellt »für das, was sich auf Gott bezieht« (Hebr. 5,1), müssen darüber wachen, daß solche verderblichen Irrtümer, denen noch verderblichere Praktiken auf dem Fuße zu folgen pflegen, innerhalb der Gläubigen nicht Boden fassen. Ihre heilige Amtspflicht ist es, soviel an ihnen liegt, alles zu tun, damit die Gebote Gottes als verpflichtende Grundlage des sittlich geordneten privaten und öffentlichen Lebens geachtet und befolgt werden; daß die Majestätsrechte Gottes, der Name und das Wort Gottes nicht verunehrt werden (Tit. 2, 5); daß die Gotteslästerungen–in Wort und Schrift und Bild, zeitweise zahlreich wie der Sand am Meere – zum Schweigen gebracht werden; daß dem trotzenden Prometheusgeist und Gottesverneiner, Gottesverächter und Gotteshasser gegenüber das Sühnegebet der Gläubigen nie erlahme, das wie Rauchwerk Stunde um Stunde zum Allerhöchsten emporsteigt und Seine strafende Hand aufhält.

Wir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern und all den Gläubigen, die in der Verteidigung der Majestätsrechte Gottes gegen ein angriffslüsternes, von einflußreicher Seite leider vielfach begünstigtes Neuheidentum ihre Christenpflicht erfüllt haben und erfüllen. Dieser Dank ist doppelt innig und mit anerkennender Bewunderung für diejenigen verknüpft, die in Ausübung dieser ihrer Pflicht gewürdigt wurden, um Gottes Willen irdische Opfer und irdisches Leid auf sich nehmen zu dürfen.

Reiner Christusglaube

Kein Gottesglaube wird sich auf die Dauer rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an Christus. »Niemand kennt den Sohn außer dem Vater, und niemand kennt den Vater außer dem Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will« (Mt. 11,27). »Das ist das ewige Leben, daß sie Dich erkennen, den allein wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesus Christus« (Jo. 17,3). Es darf also niemand sagen: Ich bin gottgläubig, das ist mir Religion genug. Des Heilands Wort hat für Ausflüchte dieser Art keinen Platz. »Wer den Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater« (1 Joh. 2,23).

In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, ist die Fülle der göttlichen Offenbarung erschienen. »Auf vielerlei Art und in verschiedenen Formen hat Gott einst zu den Vätern durch die Propheten gesprochen. In der Fülle der Zeiten hat er zu uns durch den Sohn geredet« (Hebr. 1,1f.). Die heiligen Bücher des Alten Bundes sind ganz Gottes Wort, ein organischer Teil Seiner Offenbarung. Der stufenweisen Entfaltung der Offenbarung entsprechend liegt auf ihnen noch der Dämmer der Vorbereitungszeit auf den vollen Sonnentag der Erlösung. Wie es bei Geschichts- und Gesetzbüchern nicht anders sein kann, sind sie in manchen Einzelheiten ein Spiegelbild menschlicher Unvollkommenheit, Schwäche und Sünde. Neben unendlich vielem Hohen und Edlen erzählen sie auch von der Veräußerlichung und Verweltlichung, die in dem die Offenbarung und die Verheißung Gottes tragenden alttestamentlichen Bundesvolk immer wieder hervorbrachen. Für jedes nicht durch Vorurteil und Leidenschaft geblendete Auge leuchtet jedoch aus dem menschlichen Versagen, von dem die biblische Geschichte berichtet, um so strahlender das Gotteslicht der über alle Fehle und Sünde letztlich triumphierenden Heilsführung hervor. Gerade auf solchem, oft düsterem Hintergrund wächst die Heilpädagogik des Ewigen in Perspektiven hinein, die wegweisend, warnend, erschütternd, erhebend und beglückend zugleich sind. Nur Blindheit und Hochmut können ihr Auge vor den heilserzieherischen Schätzen verschließen, die das Alte Testament birgt.

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