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Bericht von George Messersmith an das State Department [US-Außenministerium] zum gegenwärtigen Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland (21. September 1933)

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Wenn der wichtigste Sprecher der Partei, ihre obersten Führungskader und der Sachverständige für Rassefragen der Regierung im Innenministerium Meinungen vertreten, wie sie in oben genannten Reden und in dem Memorandum im Anhang dieses Schreibens zum Ausdruck kommen, fällt die Einsicht nicht schwer, dass die Rassefrage um nichts einfacher geworden ist.

In ganz Deutschland sollen so genannte „Rasseämter“ eingerichtet werden. Schon am 4. Mai erschien in der Abendausgabe des „Berliner Tageblatt“ ein Artikel, in dem die Schaffung eines Rasseamtes unter der Leitung des Kommissars für das Gesundheitswesen in Dortmund angekündigt wird. Diesem Artikel zufolge sollen angesichts der Bedeutung der neuen Generation so rasch wie möglich Rasseakten für alle 80.000 Dortmunder Schulkinder angelegt werden.

Am 28. Juni fand im Reichsministerium des Innern ein Treffen statt, an dem Dr. Frick sich mit folgenden Worten an den Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassepolitik wandte: „Neben der bedrohlich zunehmenden erbbiologischen Minderwertigkeit müssen wir in gleichem Maße die fortschreitende Rassenmischung und Rassenentartung unseres Volkes mit Sorge verfolgen“. Er deutete an, dass man an die baldige Verabschiedung eines Gesetzes denke, das Ehen zwischen Deutschen und Juden unter Strafe stellen wird.

Die Frage, wer arisch ist und wer nichtarisch, wird seit der Machtübernahme der Partei ausführlich diskutiert. Das so genannte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (Berufsbeamtengesetz), das die Angelegenheiten aller Beamten im Reich regelt, behandelt die Angelegenheit vorrangig. Nach diesem Gesetz ist es Personen jüdischen Bluts verboten, eine öffentliche Position im Land einzunehmen, wobei es bestimmte Ausnahmen gibt, vor allem bei den „Frontkämpfern“, also Juden, die im Krieg gekämpft haben. Die Grundprinzipien können ungefähr wie folgt zusammengefasst werden:

1. Eine Person mit jüdischen Eltern oder Großeltern gilt als nichtarischer Abstammung. Ausreichend ist ein Eltern- oder Großelternteil nichtarischer Abstammung.

2. Jeder, der eine Beamtenlaufbahn anstrebt, muss beweisen, dass er und seine Frau arisch sind. Jeder Reichsbeamte, der eine Ehe einzugehen beabsichtigt, muss belegen, dass die Person, die er zu heiraten wünscht, arisch ist. Als Beweise gelten Geburts- und Heiratsurkunden.

3. Die festgelegten Grundprinzipien gelten für Beamte des Reichs, der Länder, der Kommunen sowie für Beamte kommunaler Einrichtungen und anderer Körperschaften, Institutionen und Stiftungen mit offiziellem Status.

Dem „Berliner Tageblatt“ vom 16. September zufolge hat der Reichsinnenminister im Zusammenhang mit dem Reichsbeamtengesetz eine weitere Erklärung abgegeben, um den Terminus „nichtarisch“ zu definieren. In dieser Erklärung wird festgestellt, dass ein Beamter mit einem Großelternteil, der jüdisch oder jüdischer Abstammung ist, nach dem Gesetz als jüdisch zu gelten habe. Der Minister betont, dass bei der Interpretation des Gesetzes die arische Abstammung nicht von der Religion, sondern von der Rasse und dem Blut abhängig ist.

Aus dem Gesagten geht eindeutig hervor, dass alle Personen mit jüdischen Eltern oder Großeltern vom Berufsbeamtentum und von anderen hohen öffentlichen Positionen in Deutschland ausgeschlossen sind.

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