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Tarifverhandlungen nach Vorstellung der Gewerkschaften (März 1918)

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8.

Kommt eine Einigung zustande, so ist der Inhalt derselben durch eine von sämtlichen Mitgliedern des Einigungsamts und von den Vertretern beider Teile zu unterzeichnende Bekanntmachung zu veröffentlichen. Die so veröffentlichte Vereinbarung und ihre Bedingungen sind für die Dauer der Vereinbarung für sämtliche in dem betreffenden Berufe tätigen Arbeiter und Arbeitgeber in Gemäßheit der Nr. 1 dieser Leitsätze rechtlich bindend. Die Aufhebung oder Abänderung einer solchen Vereinbarung ist an eine dreimonatige Kündigungsfrist gebunden.

9.

Kommt eine Einigung nicht zustande, so haben der erste und zweite Vorsitzende eine, bei Nichtübereinstimmung beider zwei Darstellungen des Streitfalles und der Ursache des Nichtgelingens der Vereinbarung zu veröffentlichen. Beiden Parteien steht es in diesem Falle frei zu versuchen, durch Arbeitseinstellung bzw. Aussperrung ihren Forderungen Geltung zu verschaffen. Die Heranziehung von Arbeitswilligen aus dem Auslande ist für die Dauer des Arbeitsstillstandes verboten. Das Einigungsamt ist berechtigt, nach freiem Ermessen jederzeit erneut Einigungsverhandlungen anzusetzen.

10.

Zur Haftung für die Innehaltung der gemäß Nr. 1 abgeschlossenen Arbeitsverträge wird aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeiter je ein Zweckvermögen angesammelt, und zwar so lange, bis das Zweckvermögen einer jeden der beiden Parteien 10 Mark pro Kopf der beteiligten Arbeiter beträgt. Sinkt es unter diesen Betrag, so ist die Beitragserhebung wiederaufzunehmen, bis der Fehlbetrag ersetzt ist. Das Zweckvermögen wird von Beauftragten der Parteien selbst verwaltet. Die gleichmäßige Einziehung der Beiträge ist durch Gesetz zu regeln.

11.

Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des Arbeitsvertrags sind durch die von den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeiter gebildeten Schlichtungsstellen zu entscheiden. Die Schlichtungsstellen und die Entschädigungssätze sind in dem gemäß Nr. 1 festgesetzten Arbeitsvertrage selbst festzulegen. Letztere dürfen ein im Gesetz festzusetzendes Höchstmaß nicht übersteigen.

12.

Alle Entschädigungen wegen Vertragsverletzung werden ausschließlich aus dem angesammelten Zweckvermögen der zur Leistung verpflichteten Partei gezahlt.

13.

Staatsaufträge und Arbeiten anderer öffentlicher Korporationen dürfen nur an Unternehmer vergeben werden, die sich den Verhandlungen und Entscheidungen der Schlichtungsstellen und Einigungsämter unterwarfen und die keinerlei Verbindung angehören, die das Verhandeln mit Arbeitervertretern verweigert.



Quelle: Leitsätze zum Tarifvertragsrecht, Historische Kommission zu Berlin, NB 610, S. 24.

Abgedruckt in Klaus Schönhoven, Hg., Die Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution 1914-1919. Köln: Bund-Verlag, 1985, S. 460-62.

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