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Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn von Ludwig Quidde (1894)

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Bei Caligula schlugen gelegentlich seine Vergötterungsansprüche in eine tolle Farce um, — ohne daß wir deshalb glauben dürften, er habe den Kultus, den er seinen Unterthanen aufgezwungen hatte, selbst verhöhnen wollen, um so die Schmach noch zu verschärfen. Er machte sich selbst zum Oberpriester seiner eigenen Gottheit! Und sein Pferd — auch sonst tritt seine Vorliebe für Pferde in ganz unsinnigen Handlungen hervor — gesellte er sich als Kollegen in dieser Stellung zu! (57)

* * *

Schon die Zeitgenossen haben Caligula für richtig geisteskrank gehalten (58), und es ist nicht recht verständlich, wie ein neuerer Historiker noch daran zweifeln kann. Der Entwicklung zu geistiger Störung entspricht bei ihm ja auch offenbar eine ursprüngliche krankhafte Anlage. Von seiner körperlichen Disposition wissen wir nicht viel, aber doch einiges. Als er mit zwanzig Jahren zu Tiberius kam, war er lang aufgeschossen; dünne Beine, stark entwickelter Bauch (59) und unheimlich berührende Gesichtszüge, mit eingefallenen Schläfen und Augen, breiter und finsterer Stirn waren körperlich die hervorstechendsten Merkmale (60). Dabei litt er an Epilepsie und schrecklicher Schlaflosigkeit (61) .

Von seiner damit zusammenhängenden Rast- und Ruhelosigkeit, von dem Widerspruchsvollen und der Unberechenbarkeit seiner Einfälle und Eindrücke hat uns Dio Cassius eine lebendige Schilderung gegeben (62); es sind Züge der Nervosität, die an sich noch nicht krankhaft zu sein brauchen, die erst im Zusammenhang mit dem, was wir sonst wissen, erhöhte Bedeutung erlangen. Bald suchte er das Gewühl der Menschen; bald wieder die Einsamkeit; er unternahm dann wohl eine Reise und einmal, als er zurückkehrte, war er kaum wiederzuerkennen, er hatte sich (ganz gegen die Sitte der Zeit) einen Bart und langes Haupthaar wachsen lassen (63). Über Schmeichler und Freimütige ärgerte und freute er sich zugleich. Bald ließ er sich, besonders von Leuten niederen Standes, die schlimmsten Dinge sagen, bald strafte er Nichtigkeiten mit dem Tode. Niemand wußte, was er thun oder sagen sollte, und machte es ihm einer recht, so hatte er es seinem guten Glück, nicht seiner Klugheit zu danken (64). Er kam auf die unsinnigsten Einfälle, und auch wenn sie verhältnismäßig harmlos waren, steckte ein Zug von Bosheit in ihnen, so z. B. wenn er einen Offizier, der seine Unzufriedenheit erregt hatte, mit einem ganz inhaltslosen Briefe an König Ptolemäus nach Mauretanien schickte (65) .

Meist aber nahm seine Bosheit, das Vergnügen am Quälen, sehr viel schlimmere Formen an. Auch dieser Zug ist schon aus seiner Jugend überliefert. Er versäumte es nicht, bei Folterungen und Hinrichtungen zugegen zu sein (66).

Damit verband sich der Hang zu Ausschweifungen (67). Schon aus seinen Knabenjahren erzählte man sich scheußliche Dinge (68). Später, als er bei Tiberius war, besuchte er vermummt die Höhlen des Lasters, zugleich geschlechtlichen Ausschweifungen und dem Trunke ergeben (69) .


(57) Dio Cassius 59, 28.
(58) Tacitus, Ann. 6, 45. Sueton 50 und 51. Seneca, De constantia sapientis 18, 1.
(59) Sueton 50. Seneca, De const. sap. 18, 1.
(60) Sueton 50.
(61) Sueton 50.
(62) 59, 4.
(63) Sueton 24.
(64) Dio Cassius 54, 4.
(65) Sueton 55.
(66) Sueton 11.
(67) Sueton 36. Dio Cassius 59, 3.
(68) Sueton 24, 24. — Vgl. Dio Cassius 59, 10.
(69) Sueton 11. — Vgl. Philo, Legatio ad Gaium.

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