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Thesen zur literarischen Moderne (1887)

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6. Unser höchstes Kunstideal ist nicht mehr die Antike, sondern die Moderne.

7. Bei solchen Grundsätzen erscheint ein Kampf geboten gegen die überlebte Epigonenklassizität, gegen das sich spreizende Raffinement und gegen den blaustrumpfartigen Dilettantismus.

8. In gleichem Maße als förderlich für die moderne Dichtung sind Bestrebungen zu betrachten, welche auf entschiedene, gesunde Reform der herrschenden Literaturzustände abzielen, wie der Drang, eine Revolution in der Literatur zu Gunsten des modernen Kunstprinzips herbeizuführen.

9. Als ein wichtiges und unentbehrliches Kampfmittel zur Vorarbeit für eine neue Literaturblüte erscheint die Kunstkritik. Die Säuberung derselben von unberufenen, verständnislosen und übelwollenden Elementen und die Heranbildung einer reifen Kritik gilt daher neben echt künstlerischer Produktion als Hauptaufgabe einer modernen Literaturströmung.

10. Zu einer Zeit, in welcher, wie gegenwärtig, jeder neuen, von eigenartigem Geiste erfüllten Poesie eine enggeschlossene Phalanx entgegensteht, ist es notwendig, daß alle gleichstrebenden Geister, fern aller Cliquen- oder auch nur Schulenbildung, zu gemeinsamem Kampfe zusammentreten.



Quelle: Anonym, “Thesen zur literarischen Moderne”, Allgemeine Deutsche Universitätszeitung (1887), zitiert in Gotthard Wunberg, Die literarische Moderne: Dokumente zum Selbstverständnis der Literatur um die Jahrhundertwende. Frankfurt am Main, 1971, S. 1.

Abgedruckt in Jürgen Schutte und Peter Sprengel, Die Berliner Moderne 1885-1914. Stuttgart, 1987, S. 186-88.

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