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Adolf Behne, „Bruno Taut” (1914)

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Ich sagte, daß Bruno Taut auf die Urelemente alles Bauens für seine Fassade zurückgegangen ist. Diese Urelemente sind: die Wand und die Öffnung!

Wo sieht man heute an unseren Häusern etwas von der Wand! Karyatiden, Säulen, Kartuschen, Büsten. Reliefs decken sie zu – obwohl es gegen früher besser geworden ist. Taut zeigt die Wand, die doch der Sinn des ganzen Bauens ist, in aller ungebrochenen Fülle – und Schönheit. Und er nimmt den Fenstern den Charakter des Zufälligen, des Unbezwungenen, den sie fast überall tragen, nimmt sie als das zweite große Hauptmotiv, setzt sie in ihre vollen Rechte ein! Er hat keine Furcht, daß ihm etwa große Fenster die Fassade zerreißen, er macht sie so groß als irgend möglich, läßt Querholz und Fensterkreuz fallen und gewinnt aus dem Fenster etwas Ausdrucksvolles, das nun imstande ist, die Wand zu gliedern! Wand und Öffnung – sie haben jetzt eine bestimmte Rolle, bedeuten etwas, wirken sich aus!

Was hier geleistet worden ist, das ist endlich wieder einmal etwas Ganzes, etwas Persönliches, etwas Bleibendes. Es ist eine Befreiung der Architektur von der Konvention, ein Besinnen auf das Echte.

Zu den Urelementen des Bauens gehört freilich noch ein Drittes: die Freude am Schmuck. Diese Freude ist bei Bruno Taut sehr stark und lebendig ausgeprägt. Wo es sein muß, baut er so einfach und schlicht wie kein Zweiter (seine Gartenstadtarchitektur für Falkenberg beweist es), wo aber eine gewisse Repräsentation zum Wesen der Aufgabe gehört, ist er nicht ängstlich! Daß für ein teures Miethaus in der vornehmen Hardenbergstraße ein Bedürfnis an Schmuck vorliegt, versteht sich von selbst. Taut hat dem gebührend Rechnung getragen und hat auch hier etwas Kühnes und Ungewöhnliches geschaffen, indem er seine Architektur in eine ganz freie Verbindung mit der Plastik brachte! Auch hier ist der Wunsch, etwas Echtes statt einer Mischung zu geben, leitend gewesen. Das Genre der sogenannten dekorativen Architekturplastik ist ja doch eine Mischung, in der die Plastik die Architektur und die Architektur die Plastik stört. Taut zog Georg Kolbe zur freien Mitarbeit heran. Kolbe hat, nur sehr allgemein an eine Skizze Tauts gehalten, unter dem Dach eine Reihe von schwebenden Frauenakten, fast vollrund, modelliert, die, leicht und frei bewegt, dem Hause etwas Lebendiges, Atmendes geben. Falsch wäre es, diesen Figuren gegenüber wiederum, wie bei der Leipziger Goldkugel, nach dem »Zweck« zu fragen! Sie haben keinen anderen als einen innerlich künstlerischen! Wären sie nicht da, so fehlte etwas!

Das ist gerade das Schöne, daß Bruno Taut nicht aus dem Intellekte und nicht nach dem »Geschmack« baut, sondern aus der Phantasie!



Quelle: Adolf Behne, „Bruno Taut“, Der Sturm, Nr. 198/199 (Februar 1914), S. 182 f.

Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung von Frau Eva Gießler-Wirsig und Frau Alexandra Otto. (Verwahrort der Quelle ist die Staatsbibliothek Berlin)

Abgedruckt in Jürgen Schutte und Peter Sprengel, Die Berliner Moderne 1885-1914. Stuttgart: Reclam, 1987, S. 592-96.

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