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Wilhelm II., „Die wahre Kunst” (1901)

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Ich empfinde es als Landesherr manchmal recht bitter, daß die Kunst in ihren Meistern nicht energisch genug gegen solche Richtungen Front macht. Ich verkenne keinen Augenblick, daß mancher strebsame Charakter unter den Anhängern dieser Richtungen ist, der vielleicht von den besten Absichten erfüllt ist, er befindet sich aber doch auf falschem Wege. Der rechte Künstler bedarf keiner Marktschreierei, keiner Presse, keiner Konnexionen. Ich glaube nicht, daß Ihre großen Vorbilder auf dem Gebiete der Wissenschaft weder im alten Griechenland noch in Italien, noch in der Renaissancezeit je zu einer Reklame, wie sie jetzt durch die Presse vielfach geübt wird, gegriffen haben, um ihre Ideen besonders in den Vordergrund zu rücken. Sie haben gewirkt, wie Gott es ihnen eingab, im übrigen haben sie die Leute reden lassen.

Und so muß auch ein ehrlicher, rechter Künstler handeln. Die Kunst, die zur Reklame heruntersteigt, ist keine Kunst mehr, mag sie hundert- und tausendmal gepriesen werden. Ein Gefühl für das, was häßlich oder schön ist, hat jeder Mensch, mag er noch so einfach sein, und dieses Gefühl weiter im Volke zu pflegen, dazubrauche Ich Sie alle, und daß Sie in der Siegesallee ein Stück solcher Arbeit geleistet haben, dafür danke Ich Ihnen ganz besonders.



Quelle: Wilhelm II., „Die wahre Kunst“ (18. Dezember 1901), in Ernst Johann, Reden des Kaisers: Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II. München, 1996, S. 99-103.

Auch abgedruckt in Jürgen Schutte und Peter Sprengel, Die Berliner Moderne 1885-1914. Stuttgart, 1987, S. 571-74.

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