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Theodor Herzl trifft Wilhelm II. in Jerusalem (1898)

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Dann rief man uns nach dem Kaiserzelt. Der Kaiser stand in der grauen Kolonialuniform, den Schleierhelm auf dem Kopf, braune Handschuhe und – merkwürdigerweise – die Reitpeitsche in der Rechten und erwartete uns. Einige Schritte vor dem Eingang machte ich Front und verbeugte mich. Der Kaiser streckte mir beim Eintritt sehr freundlich die Hand entgegen. Etwas abseits stand Bülow in einem bestaubten grauen Sakkoanzug und hielt meinen korrigierten Entwurf in der Hand.

Die vier Herren traten hinter mir in das breite Zelt. Ich fragte, ob ich die Herren vorstellen dürfe, er nickte, ich tat es. Er legte bei der Nennung eines jeden Namens die Hand an den Helmschirm.

Dann auf einen Blick, den ich mit Bülow wechselte, nahm ich mein Papier und las, anfangs gedämpft und mit etwas vibrierender Stimme, allmählich très à mon aise. Von Zeit zu Zeit blickte ich vom Papier auf und sah ihm in die Augen, die er fest auf mich gerichtet hielt.

Nachdem ich fertig war, sprach er.

Er sagte ungefähr folgendes:

„Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilungen, die mich sehr interessiert haben. Die Sache bedarf jedenfalls noch eines eingehenden Studiums und weiterer Aussprachen." Hierauf ging er in eine Betrachtung der bisherigen Kolonisation ein. „Das Land braucht vor allem Wasser und Schatten." Er gebrauchte einige landwirtschaftliche und forsttechnische Ausdrücke. Seine Wahrnehmungen hätten ihn übrigens belehrt, daß der Boden kultivierbar sei. „Die Ansiedlungen, die ich sah, sowohl die der Deutschen wie Ihrer Landsleute, können als Muster dienen, was man aus dem Lande machen kann. Das Land hat Platz für alle. Schaffen Sie nur Wasser und Schatten. Auch für die eingeborene Bevölkerung werden die Arbeiten der Kolonien als anregendes Muster dienen. Ihre Bewegung, die ich genau kenne, enthält einen gesunden Gedanken."

Er versicherte uns noch seines anhaltenden Interesses, und wie er übrigens die fünf oder sechs Minuten seiner Antwort ausfüllte, das ist mir nicht mehr erinnerlich.

Nachdem seine offizielle Antwort vorüber war, reichte er mir die Hand, entließ uns aber noch nicht, sondern zog mich mit Bülow ins Gespräch: „Herrn v. Bülow kennen Sie ja?"

Ob ich ihn kannte! Bülow, der meine ganze Ansprache im Brouillon mit dem Zeigefinger begleitend mitgelesen hatte, lächelte süß. Wir sprachen über die Reise.

Der Kaiser sagte: „Wir haben gerade die heißeste Zeit bekommen. An dem Tag, wo wir uns gesehen haben, war es am ärgsten. Bei Ramleh haben wir die Temperatur gemessen. 31º im Schatten, 41º in der Sonne."

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