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Kurt Karl Doberer, „Der Pfennig war das Mark der Währung” (Rückblick)

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Schon von weitem empfing uns der Lärm der Orgeln von Karussell und Schiffschaukel, der Duft von gebratenen Heringen, das Festessen des kleinen Mannes. Vom Eingang her hörten wir das Geschrei des billigen Jakobs, der jedem, der es bezahlen wollte, Einmaliges anbot. Eine goldene oder fast goldene Uhr, zwar ohne das übliche Uhrwerk, aber doch herrlich anzusehen, mit ebenso goldiger Kette; dazu Manschettenknöpfe für den feinen Herrn aus dem gleichen Edelmetall und ein goldiges Kettchen für die Braut – alles zusammen nicht für zehn Mark, nicht für fünf Mark, für eine Mark konnte der glückliche Besitzer den kostbaren Schatz, in feines rosa Fließpapier gewickelt, nach Hause tragen.

Das war aber nur der Beginn der Wunder, bei deren Anblick man Mund und Ohren aufsperren konnte. Da war eine Zeltbude, so groß wie ein ganzes Haus, da konnte man für fünfzig Pfennig, Kinder und Soldaten vom Feldwebel abwärts zahlten die Hälfte, Meerjungfrauen mit Fischschwänzen, siamesische Zwillinge, Riesen und Zwerge sehen. Um die Gaffer hereinzulocken, spielte eine Riesenorgel, die mit beweglichen Figuren besetzt war.

Die Orgel konnte man von außen bewundern. Nach Riesen, Zwergen und Meerjungfrauen mit Schwänzen stand mein Sinn nicht. Eher faszinierte mich ein Mann, der an einer Stange viele blaue, rote, gelbe Luftballons hielt. Ob ich einen solchen Ballon bekommen habe, das weiß ich heute nicht mehr. Aber ich weiß noch, daß Spaßvögel oder Leute, die sich dafür hielten, am Werk waren. Mit einer kleinen Schere bewaffnet, näherten sie sich unauffällig den glücklichen Besitzern eines Luftballons, um im richtigen Moment bei den Unachtsamen den Bindfaden abzuschneiden. Immer wieder sah man einen solchen Ballon dann über den Köpfen der Volksfestbesucher entschweben, in den Himmel aufsteigen und schließlich, in der lauen Luftströmung kleiner und kleiner werdend, auf Nimmerwiedersehen entschwinden.



Quelle: Kurt Karl Doberer, „Der Pfennig war das Mark der Währung“, Rückblick, in Rudolf Pörtner, Hg., Kindheit im Kaiserreich: Erinnerungen an vergangene Zeiten. München, 1989, S. 246-49.

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