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Der Aufruf der neu gegründeten Konservativen Partei in einem Bundesstaat (1876-1877)

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[Des Fortschritts Dresdner Presse behauptet, daß Bebel] eigentlich ein Mann von Character und makelloser Ehrenhaftigkeit sei, und führt aus, es wäre doch noch zu untersuchen ob die Wahl Bebels ein so großes Unglück sein würde, daß die Mitglieder der Fortschrittspartei gegen ihre Ueberzeugung für Mayhoff simmen müssen. [Die Fortschrittspartei in Sachsen, so der Gesandte, hat] nur particularistische Tendenzen; daher erscheint ihr die Wahl des Nicht-Sachsen Mayhoff als unpatriotisch (d.h. hier unsächsisch).

In der Bürgerschaft Dresdens dagegen herrscht ein weit gesunderer Sinne und bei den großen und opferwilligen Anstrengungen der deutschen Reichspartei und der Nationalliberalen (es sind von einzelnen Mitgliedern ganz bedeutende Summen für Parteizwecke gezahlt worden) ist die Hoffnung dem Professor Mayhoff zum Siege zu verhelfen keineswegs ausgeschlossen.

Aus der Stichwahl in Dresden ging Bebel als Sieger hervor. Der Gesandte schreibt, daß viele Konservative und Progressive der Oberschicht, die Käuffer im ersten Wahlgang unterstützt hatten, angeblich von der Wahl Abstand nahmen, um nicht für die verhassten Nationalliberalen wählen zu müssen. Dies, obwohl der Parteiführer der Konservativen es als Notwendigkeit erkannt hatte, sich Bebel entgegenzustellen. Der Regierungsführer Sachsens, Baron von Friesen, mit dem der Gesandte erst kürzlich gesprochen hatte, schien Bebels Sieg „sehr ruhig“ aufzunehmen.

Januar 27. [ . . . ] [Friesen] ist der Ansicht, daß wenn die Nationalliberalen einen anderen, als den unbekannten Mecklenburger Mayhoff [ . . . ] aufgestellt hätten — irgend einen Sachsen, — derselbe den Bebel geschlagen haben würde. Ich [Solms] halte übrigens auch die Ansicht für begründet, daß wenn die Stichwahl zwischen Käuffer und Bebel gestanden hätter, der Erstere gewählt worden wäre. Der kleine Handwerker und der Bürgerstand hat aber ohne im entferntesten der socialdemokratischen Richtung anzugehören, lieber für Bebel votiert, als seine Stimme einem nichtsächsischen Nationalliberalen zu geben.

Meiner unmaßgeblichen Ansicht nach liegt das Gefährliche des Dresden'er Wahlresultats nicht in der einen Stimme, um welche die socialistische Partei im Reichstag verstärkt wird, sondern in dem Umstande, daß ein Sieg in der Haupstadt dieses socialistisch bereits so unterwühlten Landes dem Wachsthum der Umsturzpartei möglicher Weise eine ungeahnte Intensität und Ausdehnung geben wird.



Quelle: Graf Eberhard von Solms-Sonnenwalde, Dresden, an den Preußischen Außenminister Otto von Bismarck, Berlin, Berichte No. 1, 3 und 5, datiert auf den 11./12./27. Januar 1877. Im: Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, I.A.A.m, Sachsen (Königreich), Nr. 45, Bd. 4.

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