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Eugen Richter über den deutschen Adel (1898)

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In dem bekannten Stein'schen Rundschreiben vom 24. November 1808 wurde es als "vorzügliche Aufgabe der Gesetzgebung bezeichnet, die [S.9] Disharmonie im Volke, den Kampf der Stände unter sich zu vernichten und gesetzlich die Möglichkeit aufzustellen, daß jeder im Volke seine Kräfte frei in moralischer Richtung entwickeln könne." Seitdem hat die Gesetzgebung fortgesetzt die Adelsvorrechte beschränkt, bis 1850 die preußische Verfassung bestimmte: "Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich; Standesvorrechte finden nicht statt." Das Reichsgesetzbuch von 1870 beseitigte die Aberkennung des Adels als Strafe; es hat damit also bestimmt, daß die adligen Spitzbuben ebenso zu verbleiben haben wie die bürgerlichen Verbrecher den Bürgerlichen. Die Führung eines unrichtigen Namens wird als Uebertretung im Reichsstrafgesetzbuch geahndet, wenn sie einem Beamten gegenüber stattfindet. Das Reichsstrafgesetzbuch aber läßt noch einen Unterschied zu, insofern es die unberechtigte Führung eines Adelsprädikats bestraft, auch ohne jene Einschränkung. Auch wird es noch als eine "Erhebung in den Adelsstand" bezeichnet, wenn einzelnen Personen gestattet wird, ihren bürgerlichen Namen mit dem Vorwort "von" oder der Bezeichnung eines Freiherrn, Grafen usw. zu behaften. - In dem neuen preußischen Stempelsteuergesetz ist die Stempelgebühr bei Standeserhöhungen normirt für die Beleihung der Herzogswürde auf 5000 Mark, der Fürstenwürde auf 3000 Mark, der Grafenwürde auf 1800 Mark, der Freiherrn würde auf 1200 Mark, für die Verleihung des Adels auf 600 Mark; bei Wappenvermehrung und Abänderung wird ein Achtel der obigen Sätze gezahlt. Für die Verleihung eines Patents als Kammerjunker sind 400 Mark, eines Kammerherrn 1200 Mark zu bezahlen, sofern letzterer vorher Kammerjunker war, nur 800 Mark. Doch können diese Gebühren erlassen werden.

Nach den traurigen Erfahrungen im Kampfe mit Napoleon am Anfang des Jahrhunderts schlug Minister Freiherr von Stein die Aufhebung aller adligen Korporationen, der Domstifte, des Johanniterordens vor, da sie nur dem Adelsstolz Vorschub leisteten. Er schrieb:

"Diese große Menge armen, güterlosen oder verschuldeten
Adels in Preußen ist dem Staate äußerst lästig. Er ist ungebildet,
hilfebedürftig, anmaßend, er drängt sich in alle Stellen vom
Hofmarschall bis zum Posthalter und Polizeiinspektor, er steht
allen übrigen Bürgerklassen durch die Stellen, die er ihnen entzieht,
durch die Ansprüche, die er aufstellt, im Wege, und er sinkt unter
sie durch seine Armut und durch seine wenige Bildung herunter."

Und Staatskanzler Hardenberg fügte in seiner Rigaer Denkschrift hinzu: "Eine jede Stelle im Staate sei nicht dieser oder jener Klasse, sondern dem Verdienste und Fähigkeit aus allen Ständen offen."

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