GHDI logo

Das Leben der Arbeiterklasse (1891)

Seite 2 von 3    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Einen weiteren Zuschuß brachte die Arbeit der Frauen und manchmal, doch nicht zu häufig, der größeren Kinder. Es ist mir unmöglich, hierüber Genaueres zu sagen, ich vermag nur anzugeben, daß diese Frauenarbeit die allerverschiedenste war: Schneidern, Nähen für ein Geschäft, Waschen und Scheuern, Hausieren oder Handeln mit Grünzeug und anderen Waren; wohl nicht häufig ging man in Fabriken, viel mehr wurden daheim auf der Strickmaschine Strümpfe gestrickt.

Auch wurde das Halten von Schlafleuten und Mittagskostgängern, wobei ebenfalls der Frau die ganze Arbeit obliegt, als Quelle zur Erhöhung des Fabriklohnes angesehen — kaum mit vollem Rechte. Denn soviel ich beobachten konnte, kommt in Anbetracht der dadurch den Frauen auferlegten schweren Mühe und der Opfer an häuslicher Bequemlichkeit — von anderen tieferen, aber mehr ausnahmsweisen Schäden hier einmal ganz abgesehen — ein pekuniärer Vorteil selten heraus.

Wohnverhältnisse
Es ist schwer, das, was die Leute an Räumen innezuhaben pflegten, noch Familienwohnungen zu nennen. Oder kann man wirklich eine zweifenstrige Stube und ein einfenstriges, unheizbares Gelaß daneben noch so bezeichnen? Eben dies aber, und nicht mehr, bildete das Heim eines — wenn ich recht sah — sehr großen Teiles unserer Arbeiterfamilien. Darum sprach man da unten auch immer nur von Stuben. „Ich will mir eine neue Stube mieten"; „was bezahlst du für deine Stube?" waren ganz übliche Worte.

Bedeutend besser, geräumiger, anheimelnder erschienen schon die Wohnungen, die aus einer Stube und zwei solchen Gelassen, im Volke dort fälschlich „Alkoven" genannt, oder gar aus zwei heizbaren Stuben und einem Alkoven bestanden. Doch auch ihnen fehlte sehr oft, wie den Stuben immer, die Küche, dagegen gehörte zu allen genannten Gattungen regelmäßig noch eine sogenannte Bodenkammer, d. h. ein enger Bretterverschlag unter dem Dache, deren jeder mit einer kleinen Luke versehen war.

Die meisten, namentlich modernen, nach städtischer Art gebauten Häuser hatten von jeder der geschilderten Wohnungssparten eine Anzahl, aber in erdrückender Gleichmäßigkeit auch nichts als solche; größere Wohnungen fanden sich in solchen eigentlichen Arbeitermiethäusern gar nicht. Für die wenigen Leute am Orte, die danach verlangten, gab es besonders gebaute Häuser dazwischen und außerdem noch einige wenige Villen oder dem ähnliche Gartengebäude.

Die Preise für diese Wohnungen waren hoch im Vergleich zu ihrem Werte wie zu dem Einkommen der meisten Arbeiter, doch wohl niedriger als diejenigen für gleiche in der Stadt.

Das Traurige an dem ganzen Wohnungswesen dieser Leute war vielmehr ein anderes, schon so oft beklagtes: das Mißverhältnis zwischen der Enge der Räume und der Zahl ihrer Bewohner. Solche eben geschilderte Wohnräume genügten wohl jungen, erst verheirateten Leuten mit ein oder zwei Kindern zu einem halbwegs gesunden, zufriedenen Wohnen. Wo sich aber eins, zwei, drei Kinder mehr einstellten, und wo man um des besseren Auskommens willen noch gar Fremde in Kost und Logis zu nehmen gezwungen war, gab es dann Zustände, die sich leicht nachfühlen, aber schwer beschreiben lassen. Das aber war selbstverständlich die Regel. Weitaus die meisten Familien hatten eine Schar Kinder, hatten Schlafleute und Kostgänger.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite