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Über Arbeiterkontrolle (1915)

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dem Markensystem, also Gegentafel bei dem Meister und Aufzeichnen fehlender Arbeiter an Hand der hängengebliebenen Schlüssel. Die Ausgangszeit macht die Kontrolluhr in der Regel dadurch kenntlich, daß neben der Zeitangabe ein Stern gedrückt wird. Zu diesem Zweck ist von dem Portier vor der Kontrollaufnahme ein Hebel der Uhr einzuschalten. Der Streifen kann nach beendeter Kontrollaufnahme jederzeit aus der Uhr herausgenommen werden, um alsdann hiernach die Eintragungen in das Lohnbuch zu bewirken. Im allgemeinen wird man mit einer Kontrolluhr nicht mehr als 300 Arbeiter innerhalb 5 Minuten abfertigen können. Es gibt auch Kontrolluhren, wo das Umdrehen des Schlüssels nicht erforderlich ist, vielmehr das bloße Einstecken des Schlüssels schon zur Registrierung genügt.

Einen weiteren Fortschritt brachten die sogenannten „Hebelapparate", die ihrem Charakter nach ebenfalls Kontrolluhren sind. Diese Apparate besitzen ein sichtbares, kreisförmiges Nummernblatt, und zur Kontrollaufnahme führt man einen in beiden Richtungen drehbaren Hebel auf die in Frage kommende Kontrollnummer, wo sich ein Loch befindet, in welches man den Stift des Hebels eindrückt. Die Uhr registriert dann Nummer und Zeit automatisch auf einem Papierstreifen, der im Innern über eine Trommel rollt. Der Mechanismus dieser Apparate ist sehr fein durchgearbeitet, und der Streifen besitzt Rubriken für Eingang, Ausgang, Morgens, Mittags, Abends usw., so daß eine sehr genaue Aufzeichnung möglich ist. Die jeweils erforderliche Rubrik kann sowohl von Hand, wie auch automatisch eingestellt werden. Die Hebelapparate werden auch mit einem Zweifarbenband angefertigt, so daß beispielsweise Verspätungen in roter Farbe gedruckt werden, die sich bei der Eintragung in das Lohnbuch dadurch scharf abheben. Das Fehlen eines Arbeiters markiert sich auf dem Papierstreifen als weißer Fleck. Der Bau dieser Hebelapparate erfolgt meist in vier Größen und zwar zu 50, 100, 150 und 200 Personen. Da sich bis 42 Registraturen vorsehen lassen, so kann man die Aufzeichnungen fortlaufend für eine Woche oder 14 Tage vornehmen. Im allgemeinen arbeiten jedoch diese Apparate mit einem Tagesstreifen. Der große Vorzug der Hebelapparate besteht darin, daß man alle Aufzeichnungen für jede Kontrollnummer beisammen stehen hat.

Das Letzte, was die Technik der Arbeiterkontrolle hervorgebracht hat, stellen die Kartenkontrollapparate dar, die in der Tat einen hohen Grad der Vollkommenheit in der automatischen Zeitkontrolle erreicht haben. Für den Kartenkontrollapparat ist jeder Arbeiter mit einer Karte ausgerüstet, die für Kontrollzwecke einen entsprechenden Vordruck aufweist. Der Kartenapparat entspricht in seiner Bauart einer Kontrolluhr, zu der die Kontrollkarte durch Einstecken in ein Mundstück geführt wird. Ist dies geschehen, so drückt der Arbeiter auf einen Knopf, wodurch eine auf die Minute genaue Zeitangabe auf der Karte erfolgt. Das Verstellen des Mundstückes von einer Spalte zur anderen, von „Kommt" und „Geht", geschieht durch Hand oder auch automatisch. Das Einstellen von einem Tag zum anderen bewirkt die sehr genau arbeitende Uhr automatisch. Über dem Apparat hängt eine Uhr, deren Werk parallel zum Kontrollwerk arbeitet, so daß der Arbeiter sofort die automatische Aufzeichnung auf ihre Richtigkeit hin prüfen kann. Die Karten stecken nur mit dem Namen sichtbar in besonders hierfür gearbeiteten Tafeln, die sich sowohl im Fabrikeingang, wie in der Werkstätte befinden. Vielfach haben diese Karten einen Vordruck erhalten, der ihre Verwendung zur Lohnabrechnung zuläßt, so daß die Benutzung eines Lohnbuches überflüssig wird. Unbenutzte Felder auf der Tafel verdeckt man zweckmäßig durch schwarze Karten, für Felder von beurlaubten oder kranken Arbeitern haben sich rote Karten gut bewährt. Als einziger Mangel der Karten dürfte das leichte Schmutzen derselben zu bezeichnen sein. Bei Betrieben, wo die eigentliche Werkstätte noch weit vom Fabriktor liegt, pflegt man die Kontrollapparate nicht am Fabrikeingang, sondern am Werkstätteneingang aufzustellen, so daß hierdurch eine auf die eigentliche Arbeitsstelle allein bezugnehmende Zeitkontrolle ausgeübt wird. Man rechnet durchschnittlich auf ein Passieren von 30–50 Mann in der Minute pro Apparat, so daß ein Apparat für etwa 200 Personen ausreicht. Erfahrungen in der Praxis haben klargelegt, daß nach Einführung der automatischen Kontrolle vielfach die Arbeitszeit einzelner um 15 Minuten im Tag gesteigert wurde. Besonders in Großbetrieben können die sich hieraus ergebenden Lohnersparnisse im Jahr recht erheblich sein.


Quelle: P. Martell, „Über Arbeiterkontrolle“, in Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Leipzig, N.F., 6 (1915), S. 185-88.

Abgedruckt in Jens Flemming, Klaus Saul und Peter-Christian Witt, Hg., Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen 1871-1914. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, S. 113-16.

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