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Die Auswirkung auf die öffentliche Moral (März 1917)

Die Kommandowirtschaft bedeutete, dass der Staat als öffentlicher Vermittler des Hungers fungierte. Er war außerdem Symbol für das Problem selbst. Das herrische Wesen und die Inkompetenz der Bürokratie stellten eine bequeme und allgegenwärtige Zielscheibe der allgemeinen Frustration und des Volkszorns dar. In den beiden letzten Kriegsjahren, als die Größe und Verfügbarkeit der Rationen zu explosiven Themen wurden, entwickelten sich Massenaufläufe frustrierter Verbraucher zum Brennpunkt spontaner Gewaltübergriffe leichterer Art, von denen sich einige zu Lebensmittelunruhen ausweiteten. Diese Denkschrift des preußischen Kriegsministeriums gibt einen Überblick über einige dieser Manifestationen der öffentlichen Unzufriedenheit.

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Während es sich bei den erwähnten Ausschreitungen lediglich um Einzelerscheinungen handelt, ist die Beunruhigung im rheinisch-westfälischen Industriebezirk in letzter Zeit derartig gewachsen, daß entschiedene Maßnahmen erforderlich erscheinen, wenn weiteren Ausständen und Ruhestörungen vorgebeugt werden soll.

Das VII. A.K. äußerst sich hierzu folgendermaßen:

„Die gehobene Stimmung, die nach der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges im allgemeinen Platz gegriffen hat, wird durch die fortgesetzt zunehmenden Ernährungsschwierigkeiten wesentlich beeinträchtigt. Zu diesen trat Ende Januar infolge des starken Frostes in weiten Teilen des Korpsbezirks eine sehr empfindliche Kohlennot, die der ärmeren Bevölkerung schwere Entbehrungen auferlegte und auch eine Reihe größerer Werke zum Stillstand zwang. Die Ernährungsschwierigkeiten dauerten auch nach Eintritt milderer Witterung unverändert fort, da Kohlenzufuhren nach wie vor fast völlig ausblieben. Wiederholt hat das Generalkommando darauf hingewiesen, daß es gelingen müsse, dem rheinisch-westfälischen Industriebezirk die nötigsten Lebensmittel in ausreichenden Mengen zuzuführen; andernfalls seien Ausstände und Unruhen unvermeidlich. Diese Voraussage ist eingetroffen. Die seit vielen Monaten herrschende Lebensmittelknappheit hat bei der Arbeiterschaft allmählich eine tiefgreifende Unzufriedenheit geschaffen, die sich besonders seit dem Aufhören der Kartoffelverteilung wesentlich verschärft hat. Dazu kam in der Stadt Essen, daß im Februar infolge umfangreicher Brotkartenfälschungen die Mehlversorgung ins Stocken geriet. Geschickte Aufhetzer erhoben die Forderungen, ihnen mehr Lebensmittel zuzuweisen oder ihren Lohn so zu erhöhen, daß sie imstande wären, die noch im freien Verkehr zu hohen Preisen — größtenteils verbotswidrig — gehandelten Lebensmittel zu kaufen. Mitte Februar brachen auf den Kruppschen Werken in Essen Ausstände aus, die bald auf verschiedene Zechen in den Landkreisen Essen und Recklinghausen sowie in den Städten Oberhausen, Mülheim a. d. Ruhr und Herne übergriffen. Diese Ausstände sind nach einigen Tagen beigelegt worden, nachdem die Werke den Arbeitern beträchtliche Lohnerhöhungen bewilligt und Hoffnung auf eine reichlichere Lebensmittelversorgung gemacht hatten. Am 26. Februar brachen jedoch in Barmen neue Ausstände aus, welche diesmal mit erheblichen Unruhen verknüpft waren: Bäckerläden wurden geplündert, das Rathaus wurde demoliert, die Polizei wurde angegriffen. Durch energische militärische Maßnahmen wurde die Ordnung bald wieder hergestellt. Immerhin befinden sich am Schlusse des Monats noch etwa 1000 Munitionsarbeiter in Barmen im Ausstand. Außerdem sind in den letzten Tagen des Februar noch auf mehreren Zechen in Bochum (darunter Zeche Lothringen) sowie auf Zeche Kaiserstuhl in Dortmund Ausstände ausgebrochen.

Es wäre verfehlt, aus der verhältnismäßig schnellen Beendigung der meisten dieser Ausstände den Schluß zu ziehen, daß die Industriearbeiterschaft sich nunmehr mit der unzureichenden Ernährung ruhig abgefunden hat. Sie erwartet vielmehr, daß mit allem Nachdruck auf eine schleunige Besserung der Lebensmittelversorgung hingearbeitet wird. Dazu gehört vor allem, daß nach Eintritt milderen Wetters Kartoffeln wieder in ausreichender Menge anrollen. Einige große Städte, z. B. Düsseldorf, Duisburg, Barmen, Elberfeld, Oberhausen, Mülheim a. d. Ruhr, Hagen i. W., haben volle fünf Wochen keine Kartoffeln mehr austeilen können. Auch Essen vermag nur an die Schwerarbeiter geringe Mengen zu geben, nicht aber an die allgemeine Bevölkerung. Dieser Zustand ist nicht mehr lange aufrechtzuerhalten. Werden die Erwartungen der Bevölkerung abermals getäuscht, so sind neue Ausstände unvermeidlich, die voraussichtlich nicht so leicht beizulegen sein werden und zu sehr ernsten Folgen führen können."

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Quelle: Auszug aus der Zusammenstellung der Monatsberichte der stellv. Generalkommandos an das preußische Kriegsministerium betr. die allgemeine Stimmung im Volke. 3. März 1917, Nr. 230/17 g. B. 6., Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 456, Bd. 70.

Abgedruckt in Wilhelm Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914-1918. 2 Bände. Düsseldorf: Droste, 1970, Band 2, S. 666-67.

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