[ . . . ] Also ist die Freiheitsidee von 1789 nicht die Freiheitsidee schlechthin, sondern nur eine ganz bestimmte Stufe der Freiheitsidee: die abstrakte Freiheitsidee der leeren atomistischen Einzelwillen! Die Selbstbestimmung des demokratischen Volksstaates ist also Selbstbestimmung einer bloßen Menge von Willensatomen, die zwar tatsächlich mehr sind als diese bloße gleichteilige Menge, die sich aber selbst in falscher Spiegelung des eignen Lebens als diese bloße Menge sehen!
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Wir dürfen das Beispiel aufnehmen. Seit 1789 hat es in der Welt keine solche Revolution gegeben, wie die deutsche Revolution von 1914. Die Revolution des Aufbaus und des Zusammenschlusses aller staatlichen Kräfte im 20. Jahrhundert gegenüber der Revolution der zerstörenden Befreiung im 18. Jahrhundert. Darum liegt auch in all dem Geschrei über den neuen Napoleon ein ganz richtiger Anklang. Zum zweitenmal zieht ein Kaiser durch die Welt als der Führer eines Volkes mit dem ungeheueren weltbestürmenden Kraftgefühl der allerhöchsten Einheit. Und man darf behaupten, daß die „Ideen von 1914", die Ideen der deutschen Organisation zu einem so nachhaltigen Siegeszug über die ganze Welt bestimmt sind, wie die „Ideen von 1789".
Aber die Ideen von 1789, die Ideen der schrankenlosen Freiheit gingen ins Grenzenlose. Die Ideen der gesunden Zusammenfassung aller Kräfte haben ihr Maß in sich.
Wenn wir einmal diesen Krieg in einem Erinnerungsfeste feiern werden, so wird es das Fest der Mobilmachung sein. Das Fest des 2. August! Das Fest des inneren Sieges! — Da ist unser neuer Geist geboren: der Geist der stärksten Zusammenfassung aller wirtschaftlichen und aller staatlichen Kräfte zu einem neuen Ganzen, in dem alle mit gleichem Anteil leben. Der neue deutsche Staat! Die Ideen von 1914!
Die Weltgeschichte erlebt gegenwärtig das ungeheuere Schauspiel, daß bei uns ein neues großes Lebensideal zum endgültigen Siege durchdringt, und daß gleichzeitig in England ein weltgeschichtliches Prinzip endgültig zusammenbricht. Die uneingeschränkte Ausartung der Preistreibereien, die drohenden Bewegungen der Kohlenarbeiter und der Eisenbahner, dieses doppelte Sonderstreben von Kapital und Arbeit in der Stunde einer großen nationalen Gefahr ist der Bankerott des leeren Individualismus, die Schlußabrechnung über ein einstmals großes und befreiendes Kulturideal, das jetzt seinen weltgeschichtlichen Sinn verloren hat. Die Seele der englischen Freiheit stirbt, weil dieser allzu individualistische Freiheitsgedanke den Staat nicht zu erhalten vermag. Wenn England gesund werden will, muß es am deutschen Geist und an deutscher Organisation gesund werden.
In uns ist das 20. Jahrhundert.
Wir müßten der Mittelpunkt der Kraft sein, von dem aus eine neue Kulturentwicklung für Europa beginnt, wenn der Krieg wirklich in sich erlahmen und der schroffe Gegensatz bleiben sollte.
Quelle: Johann Plenge, 1789 und 1914: Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes. Berlin, 1916, S. 9, 15, 19, 20.