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Wie Soldaten das Leben im Krieg beschreiben III: Hans Stegemann (1914)

Der Brief dieses jungen Soldaten veranschaulicht die Einstellung der deutschen Infanteristen an der Front in den ersten Kriegsmonaten. Die physische Gefahr von Tod und Vernichtung ist allgegenwärtig, doch Stegemann (1893-1916) bleibt davon unbeeindruckt und scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Aufopferung für den deutschen Sieg blieb ein starker Motivationsfaktor.

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Hans Stegemann, Forstbeflissener, Hochschule Eberswalde,
geb. 28. März 1893 in Wutzenow, Kr. Prenzlau,
gef. 20. September 1916 bei Swinjuchy in Wolhynien.


Frankreich, etwa 100 Kilometer vor Paris, Straße Cambrai-Peronne, 28. August 1914.
[ . . . ] Unsere Leute wie Helden, keinen Schritt zurück. Vizefeldwebel Struck fiel neben mir, ein guter Kamerad, Lungenschuß, sofort tot. Wir haben ihn auf dem Kirchhofe Caffenciers zusammen mit dem Leutnant Lorenz von uns beerdigt, die Leiche hatte ich mit Tannenreisig umhüllt, da ein Sarg nicht zu beschaffen war; auf dem Grabhügel wurde ein Kreuz errichtet. Mein Leutnant Rogge erhielt einen Schrammschuß durch den Tschako auf die Schädeldecke; er fiel gleich um, war aber nur betäubt. Jetzt ist er fidel und reitet schon wieder mit. Gefreiter von Heimburg fiel mit den Worten: „Wir siegen doch!“ und lächelte. Am Tage nach der Schlacht war ich in der Kirche, die in ein Lazarett umgewandelt war. Den Leuten mit Lungenschüssen geht es sehr gut, fast besser als den Leichtverwundeten. Die Lunge schließt sich leicht, da Vollschüsse ein kleines Loch machen und glatt durchgehen. Alle fragten nur immer: „Feldwebel, wie steht's denn, geht's wieder gut?“ „Kinnings, ich komme eben von vorne, es geht alles gut, wir sind weit vorgekommen; die Engländer haben mächtig eins ans Maul bekommen.“ Dann lächelten sie und schliefen wie selige Kinder ein, alle ruhig und zuversichtlich, sie leiden ohne zu klagen. Die Schwerverwundeten sind schrecklich anzusehen, besonders jene, die bewußtlos phantasieren. Gestern bin ich über das Schlachtfeld geritten. Ungefähr zehn Engländer kommen auf einen von uns. Vom Schlachtfeld schreibe ich nichts weiter. Wie man aus der Schlacht heil herauskommt, scheint einem unverständlich. Man wird ganz kaltblütig und ruhig. Meine Pfeife ist mir den ganzen Tag nicht ausgegangen. — Alle Armeen Richtung Paris, wir auch!

Coucy le Château, 18. September 1914.
Von rechts kommt ein Radfahrer die steile Höhe herunter, mehr getrudelt als gefahren, atemlos: „Meldung vom Major (Name unverständlich), Jäger sind ohne Munition.“ Mein Fuchs bekommt die Sporen. Herumgerissen, im Galopp zurück. Ich finde einen Patronenwagen von den Jägern. „Galopp! Rechts schwenkt, marsch!“ Immer Galopp, feste auf die Gäule gehauen. Die Höhe hinauf, vorwärts, vorwärts, durch die schweren Geschütze hindurch, die über uns wegfunken. Man sieht die großen Zuckerhüte fliegen, weil wir gerade von hinten darauf sehen, wo das Auge den Eindruck länger behält. Immer vorwärts! „Wo liegen die Jäger?“ rufe ich jedem zu. Die Schrapnells platzen, Verwundete humpeln und kriechen zurück. Auch ein Jäger. Arm kaputt. „Na, Junge, wie geht's?“ Er lacht fröhlich übers ganze Gesicht. „Gut, gut, sie kriegen wieder Senge. Bloß Patronen, Feldwebel!“ „Adieu, laß dir's gut gehen, gute Besserung.“ Immer im Vorbeitraben – – das letzte hinterhergebrüllt.

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