Sie muß überall die Hand im Spiel haben, warum also nicht auch am Steuer? Sie hat nicht lange gefragt, sie hat danach gegriffen und führt es nun wie ein kleines Zepter. Ohne mit den Wimpern zu zucken, liegen ihre Finger eisenhart um das vibrierende Volant, das dem kleinsten Druck nachgibt, und welcher sie mit derselben Willenskraft meistert wie ein Vollblut oder eine Bulldogge. Auf der Landstraße — in den Boulevards, in den Kanälen, auf der See, im Meer und in der Luft begegnen wir ihr. Zuerst mißtrauisch, mit Bedenken, prüfend: Hat sie Nerven genug, Übersicht, verliert sie nicht so leicht den Kopf wie das Herz, reichen physische Kräfte, psychische Energie? Niedlich, daß sie es versucht, mutig, daß sie nicht zurücksteht, aber wird sie wirklich — gut — zuverlässig??
Unsere Skrupel sind beseitigt — die Praxis beweist es! Sie hat sich durchgesetzt. Man kann es nicht leugnen. Ihr Wille überwindet Meilen, ihre Lust am Tempo gibt ihr Perspektiven. Im Fluge jagt sie ihren Zielen entgegen, entschlossen, stolz in dem Bewußtsein, einen Mann zu ersetzen, ohne ihm zu gleichen.
Früher stöhnten die Nörgler: „Wenn sie mit der Schaltung nur so sanft umginge wie mit ihren Freunden, und mit den Kurven so vorsichtig wäre wie mit ihrer Moral“ — heute kann man das Gegenteil erflehen: „Wenn sie mit ihrem Freunde doch so zärtlich wäre wie mit ihrer Kupplung, und in ihrer Moral so großzügig wie in ihren Kurven ...“
Quelle: Paula von Reznicek, Auferstehung der Dame. Stuttgart: Dieck & Co Verlag, 1928, S. 126.