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Hans Katzer zur Eigentumsbildung bei Arbeitern: „Das Versprechen muß eingelöst werden ...” (1959)

In der Bundesrepublik soll die soziale Marktwirtschaft eine attraktive gesellschaftspolitische Alternative sowohl zum Sozialismus Ostdeutschlands als auch zu einem unregulierten Kapitalismus bieten. Der CDU-Sozialpolitiker Hans Katzer wirbt 1959 für eine wichtige Säule dieses Konzepts, nämlich die staatliche Förderung der Eigentumsbildung breiter Bevölkerungsschichten. Dazu gehören verschiedene langfristige Sparformen, u.a. für das eigene Heim und für die Altersvorsorge, sowie die „Volksaktie“, die erstmals dem durchschnittlichen Arbeitnehmer die Möglichkeit bieten soll, Mitbesitzer an einem Unternehmen zu werden.

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Die in diesen Blättern seit Jahren immer wieder vertretene Auffassung, daß es notwendig ist, eine bewußte und aktive Gesellschaftspolitik zu betreiben, hat sich mehr und mehr durchgesetzt.

Das zeigte sich erst jetzt wieder, als die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages einmütig für das Sparprämiengesetz stimmte, obwohl in der Sache selbst nicht unerhebliche Meinungsverschiedenheiten bestanden. Die Tatsache, daß auch mit diesem Gesetz ein gesellschaftspolitisches Ziel erreicht wird, gab der Entscheidung der Fraktion den Ausschlag.

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Zweifellos zeigen die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung und des Bundestages, die eine breitere Streuung des Eigentums durch Sparförderungsmaßnahmen begünstigen, den ernsten gesellschaftspolitischen Willen der CDU. Es sei jedoch nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die Lösung der »Eigentumsfrage« sich nicht in »Privatisierung« oder »Volksaktie« erschöpft, so sehr auch diese Maßnahmen als einer der notwendigen Wege zu einer Neuordnung der Eigentumsverhältnisse zu begrüßen sind. Der Weg über Sparen, Prämiensparen, Bausparen, Lebensversicherungssparen und Rentensparen ist in Verbindung mit Privatisierung und Volksaktie nur ein Weg zur breiten Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand; in einer Hand also, das sollten wir nicht übersehen, die heute jeden Monat ein Durchschnittseinkommen von DM 420,– empfängt. Abgesehen davon, daß die Volksaktie nur eine Lösungsmöglichkeit ist, sollten, damit die in sie gesetzten gesellschaftspolitischen Erwartungen eintreten, folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Kleine Stückelung zu DM 100,– als Inhaberpapier, Sozialbonus nach Einkommen gestaffelt, Veräußerungssperre und Höchststimmrechtsbegrenzung sowie eine Einrichtung zur Wahrnehmung der Rechte des Kleinaktionärs.

Der zweite entscheidende Weg, der Weg der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft am Erfolg der Unternehmen, steht noch offen. Hierzu haben die Sozialausschüsse einen Miteigentumsentwurf vorgelegt, der freiwillige Vereinbarungen auf der Grundlage einer staatlichen Rahmengesetzgebung und steuerliche Vergünstigungen für die Unternehmen vorsieht. Ein Weg, der, wie in dieser Ausgabe ausführlich berichtet ist, jetzt in Frankreich beschritten werden soll. Weiter schlägt der sogenannte Häussler-Plan eine Beteiligung der Arbeitnehmer am betrieblichen Ertrag auf dem Weg des Investivlohns vor. Bei allen Vorschlägen dieser Art wird jeder staatliche Zwang ebenso betont abgelehnt, wie eine steuerliche Privilegierung gefordert wird.

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Wenn eben schon festgestellt wurde, daß die beiden zentralen Ausgangspunkte unserer Überlegungen hinsichtlich einer neuen Gesellschaftsordnung »Eigentum« und »Machtverteilung« sind, dann dürfte neben einer Reform des Aktienrechts der Weg der Beteiligung die einzige bisher bekanntgewordene Möglichkeit sein, die Eigentumsfrage tatsächlich in ihrem entscheidenden gesellschaftspolitischen Ziel einmünden zu lassen; denn breite Eigentumsstreuung ohne eine wirksame Form der Vertretung des kleinen Eigentums in den Organen der Gesellschaften führt konsequenterweise zu einer verstärkten Machtkonzentration in der Hand der weitgehend eigentumslosen Manager, wenn das entscheidende wirtschaftliche Produktionsvermögen aus dem Programm einer breiten Eigentumsbildung ausgeklammert wird.

Als ein Teil Deutschlands und in einem bewußten Gegensatz sowohl zur nationalsozialistischen Vergangenheit als auch zu der sowjetischen Kolonial-Ordnung in Mitteldeutschland hat die Bundesrepublik nach 1945 ein eigenes politisches und gesellschaftspolitisches Profil entwickelt. Sie erhebt den Anspruch, ein freier, sozialer Rechtsstaat zu sein, und sie ist damit sich selbst gegenüber, aber auch gegenüber dem unfreien Teil Deutschlands, eine unabdingbare Verpflichtung eingegangen, nämlich diesen freien »sozialen Rechtsstaat« zu verwirklichen. Unlösbarer Bestandteil einer solchen Ordnung, in der die größtmögliche Freiheit des einzelnen in einem ausgewogenen Verhältnis dem Gemeinwohlinteresse der Gesellschaft zugeordnet sein muß, ist eine echte Lösung der Eigentumsfrage. Diese muß die Möglichkeit des einzelnen garantieren, persönliches Eigentum nach dem Maßstab seines Kapital- oder Arbeitseinsatzes zu bilden, sie darf keinen Eingriff in persönliches Eigentum vornehmen, sie muß aber auch sicherstellen, daß im Rahmen der gesamten Wirtschaft kein Übergewicht an Macht auf Grund von Eigentum entsteht, die kleineres Eigentum in seinen Funktionen ausschaltet.

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Quelle: Soziale Ordnung, 1959, H. 5, S. 77; abgedruckt in Christoph Kleßmann, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970. Göttingen, 1988, S. 486-87.

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