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Die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und Berlin (West) (1956)

Mitte der fünfziger Jahre bemüht sich das Statistische Bundesamt der Bundesrepublik, verläßliche Daten über die Besatzungskinder zu erheben, die seit 1945 aus sexuellen Beziehungen zwischen deutschen Frauen und ausländischen Besatzungssoldaten, mehrheitlich US-Amerikanern, hervorgegangen sind. Man zählt über 67.000 Besatzungskinder, darunter rund 5000 farbiger Abstammung. Mehr als drei Viertel dieser Kinder leben bei ihren Müttern oder deren Familie. In rund 30 Prozent der Fälle sind öffentliche Fürsorgeleistungen erforderlich.

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Statistische Berichte
Herausgeber: Statistisches Bundesamt Wiesbaden


Einführung

In der sozialpolitischen Diskussion wurde des öfteren die besondere Lage hervorgehoben, in der sich die unehelichen Besatzungskinder deswegen befinden, weil bis zum 5. Mai 1955 keine rechtliche Möglichkeit bestand, die Väter der Kinder für den Unterhalt in Anspruch zu nehmen. Auch nach Beendigung des Besatzungsregimes und Inkrafttreten des Truppen- und Überleitungsvertrages können Unterhaltsklagen nur gegen Mitglieder ausländischer Streitkräfte, soweit sie in Deutschland stationiert sind, und nur für die Zeit nach dem 5. Mai 1955 gerichtet werden. Soweit die Mütter nicht in der Lage sind, für den Unterhalt der Kinder aufzukommen, ist die öffentliche Fürsorge zur Hilfeleistung verpflichtet. Über das Ausmaß, in welchem die Öffentlichkeit für diese besondere Art der Kriegsfolgen einzutreten hat, und über die allgemeine soziale Lage der unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen und deutscher Mütter bestand jedoch ebensowenig Gewißheit wie über die Gesamtzahl dieser Kinder überhaupt. Eine Untersuchung der Internationalen Vereinigung für Jugendhilfe auf Grund von Befragungen der öffentlichen und privaten Kinderwohlfahrtsorganisationen liegt aus dem Jahre 1951 vor. Außerdem hat der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge eine Ermittlung durchgeführt, die aber nur die unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen unter Amtsvormundschaft der Jugendämter erfaßte. Eine Erhebung auf Landesebene fand in Hessen im Jahre 1951 statt. Sodann liegen einige Untersuchungen auf Initiative der Sozialbehörden einiger Großstädte vor. Alle diese Erhebungen gestatteten es jedoch bisher nicht, ein Gesamtbild zu gewinnen.

Um diesem Mangel abzuhelfen und um ein die Öffentlichkeit vielfach beschäftigendes Problem in seiner wirklichen quantitativen Bedeutung zu zeigen, wurde vom Bundesministerium des Innern die Durchführung einer statistischen Erhebung im Bundesgebiet und in Berlin (West) mit den Länderregierungen vereinbart. [ . . . ]

Durch die Erhebung wurden knapp 68 000 unter Vormundschaft stehende uneheliche Kinder von Besatzungsangehörigen im Bundesgebiet und in Berlin (West) festgestellt. Die Geburten verteilen sich auf die Jahre 1945 bis 1955. Dabei sind die Zahlen für 1955 aus den angegebenen Gründen unvollständig. Diese Kinder machen fast 1 vH der in den Jahren 1945 bis 1954 im genannten Gebiet überhaupt geborenen Kinder und 11 vH der Anfang 1955 im Bundesgebiet und Berlin (West) unter Pflegeaufsicht stehenden bzw. widerruflich davon befreiten unehelichen Kinder aus. Länderweise sind die Häufigkeiten recht unterschiedlich, wie sich aus der entsprechenden Übersicht ergibt (Tab. 1).

Bei den erfaßten unehelichen Kindern von Besatzungsangehörigen war

in 55 vH ein Angehöriger der US-Streitkräfte,
in 15 vH ein Angehöriger der französischen Streitkräfte,
in 13 vH ein Angehöriger der britischen Streitkräfte,
in 5 vH ein Angehöriger der sowjetrussischen Streitkräfte,
in 3 vH ein Angehöriger der belgischen Streitkräfte
als Vater angegeben.

Die restlichen knapp 10 vH verteilen sich auf die übrigen Besatzungsmächte und auf Fälle ohne Angabe. Selbstverständlich ist diese Verteilung stark abhängig von der Zahl der im Bundesgebiet und in Berlin (West) stationierten Besatzungstruppen der verschiedenen Nationalität, was sich auch in den Zahlen für die einzelnen Bundesländer widerspiegelt. Insgesamt wurden knapp 4 800 uneheliche Kinder von farbigen Besatzungsangehörigen (7 vH aller unehelichen Besatzungskinder) gemeldet. 3 200 Kinder wurden von den Müttern als Folgen eines Vergewaltigungsaktes angegeben.

Die Gliederung der durch die Statistik erfaßten Kinder nach dem Geburtsjahr zeigt, daß die größten Häufigkeiten in die ersten Nachkriegsjahre fallen. Bis zum Jahre 1951 zeigt sich dann ein ständiges Absinken. Seit 1952 ist die Zahl der unehelichen Kinder von Besatzungsangehörigen wieder in ständigem Ansteigen einschließlich der Kinder von farbigen Besatzungsangehörigen. Von 100 unehelichen Kindern von Besetzungsangehörigen stammten von Angehörigen der US-Streitkräfte im Jahre 1953 knapp 75 vH, im Jahre 1954 knapp 80 vH. Diese Anteile haben in den letzten Jahren ständig zugenommen.

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