Ordnung unserer von Gottes Gnaden Georgen, Landtgraven zu Heßen, Graven zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain und Nidda etc., welcher gestalt die Juden, so unter unserm Schutz wohnen oder wir in künftig uffnehmen werden, sich verhalten sollen [1] Erstlich sollen die Juden unsern Amptleuthen in Gegenwarth deß Pfarhern eines jeden Orts, da sie geseßen seindt, mit ihrem Judischen Aidt versprechen, vor den Ihren keine Lesterung wider unsern Erlöser und Seligmacher Jesum Christum, den Sohn Gottes und der Jungfrawen Marien, oder auch seinen Gottlichen Namen und unsere christliche Religion zu treiben, noch auch die armen einfältigen Juden mit erdichten Menschensatzungen und Lehren, welche dem Gesetz und den Propheten nicht gemeß seind, zu beschweren, sondern sich aller Lesterung gentzlich zu meiden und in irer Lehr deßen allein zu verhalten, was ihnen in den Schriften Moisi und der Propheten furgebildet wirdt.
[2] Zum andern sollen sie geloben und schweren, daß sie anjetzo wenigers nicht, als auch bey Lebzeiten unsers geliebten Herrn Vaters gottseliger und christmilter Gedechtnus, niergendts newe Synagogen uffzurichten, sondern sich allein der alten und vorgebaweten in aller Still zu gebrauchen.
[3] Zum dritten sollen sie versprechen, mit niemandts der unserigen und sonderlich mit einfeltigen Leyen von der Religion Disputationen anzufangen. Da aber unserer Praedicanten einer oder mehr sich guthertziger Meinung mit ihnen in Disputation einlassen würde, sollen sie dann erst, wie ein jeder schuldig, ires Glaubens Antwort und Bekanntnuß geben.
[4] Zum vierten sollen sie sich unter den Praedigten, beidt, uf unsern Feyr- und Werckhtagen, inheimisch halten und keineswegs darunter uf der Gaßen irer Handthierung nachgehen, noch yemandts an der Praetigt verhindern, vielweniger sonsten unserer Underthanen in irer Religion hohnlachen oder sie in irem christlichen Glauben irrezumachen und darvon abzuführen understehen. Da aber solches im geringsten von ihnen vermerckt würde, soll solches an ihnen ohne einige Gnadt ernstlich gestraft werden.
[5] Zum funften sollen sie zimblicherweise kaufen und verkaufen, doch allein an denen Orten, da keine Zunfte seindt oder da sie die Zunfte leiden können; deßgleichen auch ire Wahr nicht verthewren noch dieselbig unsern Underthanen hoher ufftringen oder anschlagen, als sie sonsten bey Christen gultig ist. Wie sie dann ingleichen die Wahren, so den Christen zuvorderst geschetzt werden, ehir nicht verkaufen sollen, es sey dann ihnen dieselbe durch unsere Beampten und Diener auch geschetzt worden.
[6] Zum sechsten sollen sie alle ire Händel uffrichtig treiben, mit keinen unzimlichen Practicken oder Finantzen umbgehen.
[Übertretungen werden mit Verlust des verliehenen Geldes und der Hälfte der Güter des Wucherers geahndet. Geldverleih darf nur mit Vorwissen landesfürstlicher Beamten erfolgen. Ehemann bzw. Ehefrau müssen darüber informiert sein, wenn der jeweils andere Geld borgt, und dies einem Beamten anzeigen, damit »dieselben selbst sehen oder hören mögen, ob es uffrichtig zugangen«.]
[8] Zum achten sollen sie auch mit irem judischen Aidt betheuren, keinem unserer Beampten oder Diener oder auch deroselben Weiber etwz zu schencken und also sie damit zu corrumpiren und zu bestechen, daß sie ihnen in iren unbillichen Sachen durch die Finger sehen und ihren unzimblichen Wucher und Finantzerey verstatten [ . . . ].
[9] Zum neunden. Welcher Jud ein Christenweib oder Jungfraw schändet oder beschleft, der soll durch unßere Beampte unnachläßiglich zu Haften bracht und volgents, doch mit unserm Vorwißen, am Leben gestraft werden.
[10] Zum zehenden. Da ein Jud wissentlich gestolen Gut kaufte oder Geldt daruff liehe, soll derselbig durch unsere Beampten nicht allein in gebürlich Straf genommen, sondern auch deß gekauften Guts gantz und gar verlustig sein. Damit sich aber der Jud darin desto besser vorsehen könne, soll er keinem etwz leihen, er hab sich dann zuvor erkündigt, woher solch Gut komme und ob auch derjenig, so daselb verkaufen oder Geldt darauf entlehnen will, solches zu thun Macht habe oder nicht.
[11] Zum elften wollen wir auch, daß keinem außlendischen Juden gestattet oder zugelaßen werde, in unserm Gebieth zu kaufen oder zu verkaufen, weder wenig noch viel, daruff dann unsere Beampten mit allem Vleiß sehen sollen.
[12] Zum zwölften sollen sie, die Juden, uns jerlichs das gebürlich Schutzgeld, was ein jeder versprochen, unserm Kellner eines jeden Orts, in deßen anbevohlenem Ampt die geseßen seindt, zu rechter Zeit entrichten. Dargegen sie dann von ihnen in iren billichen Sachen gegen menniglichen, deßen wir zu Recht mechtig seindt, geschützet und gehandthabt, auch ihnen zu all demjenigen, dartzu sie befugt, verholfen werden solle.
[Art. 13 betont die Pflicht der Beamten, auf die Einhaltung der Ordnung zu achten.]
In uhrkunth unsers fur uffgetruckten furstlichen Secrets, geben zu Darmbstad am ersten Januarii anno domini 1585.
Quelle: Friedrich Battenberg, Judenverordnungen in Hessen-Darmstadt. Das Judenrecht eines Reichsfürstentums bis zum Ende des Alten Reiches. Eine Dokumentation. Wiesbaden: Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, 1987, S. 66-68; abgedruckt in Bernd Roeck, Hg., Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555-1648. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 4. Stuttgart: P. Reclam, 1996, S. 79-84.