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Rebellen und Ottomanen – Die Habsburger Monarchie schließt Frieden (1606)

Krieg und Frieden zwischen den osmanischen Sultanen und den Kaisern des Heiligen Römischen Reiches war ein zentraler Strang der Reichsgeschichte von der ersten Invasion der Osmanen in Ungarn 1526 bis zu ihrer entscheidenden Niederlage durch Reichstruppen vor Wien im Jahre 1683. Im umkämpften Ungarn lösten sich Perioden intensiver Kriegshandlungen (1526-47, 1593-1606, 1663-83) und lang anhaltende, verhandelte Waffenstillstände (1547-93, 1606-63) ab. In seiner Frühphase spielte dieser Kampf eine bedeutende Rolle bei der protestantischen Reformation, denn er bot den protestantischen Fürsten eine Taktik, die letztlich Politik wurde: keine Steuern ohne Konzessionen bei der Religion. Während der folgenden Jahrzehnte betrachteten einige die osmanische Bedrohung als ein mehr oder weniger willkommenes Problem der Habsburger; andere als eine Gefährdung des Reiches. Finanzielle und symbolische Güter spielten eine wichtige Rolle in diesem Rhythmus. Beispielsweise enthielt der Frieden von 1547, der 1562 und 1590 verlängert wurde, Passagen, in denen der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches die osmanische Oberhoheit in Ungarn anerkannte und einwilligte, den Sultanen pro Jahr 30.000 venezianische Dukaten als Tribut zu entrichten.

Zwischen den großen Feldzügen sicherten zwei stark befestigte Verteidigungsanlagen die jeweiligen Positionen. Auf der habsburgischen Seite wurde diese Verteidigungslinie als „Militärgrenze“ bezeichnet und von Kroaten, Walachen und Serben bemannt, die sowohl freie Bauern als auch ortsansässige Grenzsoldaten waren. Grenzhandel war eine Realität, doch dasselbe galt für Einfälle größerer Verbände, die manchmal ein bedeutendes Aufflackern umfassender Kriegshandlungen ankündigten. Ein derartiges Vorkommnis ereignete sich 1592, als Kaiser Rudolf II. eine große Streitmacht an die Front entsandte und damit zum Ausbruch des „langen Türkenkriegs“ beitrug. Der Krieg brach zu einer günstigen Zeit aus, auf dem Höhepunkt der Bereitschaft des Reichstags – ein Ergebnis der Koexistenz im Reich –, die kaiserlichen Kriegsanstrengungen in Ungarn weit großzügiger zu unterstützen als die Stände dies in der Vergangenheit getan hatten. Die Reichstruppen eroberten Esztergom/Gran zurück, den Sitz des katholischen Primas, verloren jedoch Pest, und wurden von den Osmanen vernichtend geschlagen. Wie im Dreißigjährigen Krieg führten die von beiden Seiten errungenen Siege im „langen Krieg“ kaum zu anhaltenden Vorteilen, und als das Jahr 1606 kam, waren beide Kriegsparteien bereit zum Frieden. Erschöpft vom Krieg verbündete sich Rudolfs Familie gegen ihn und zwang ihn, seinen Bruder Erzherzog Matthias (1619) mit Friedensverhandlungen zu betrauen. Im Jahr 1606 unterzeichnete Matthias den Wiener Frieden (A) mit Fürst István Bocskay (1557-1606) von Siebenbürgen. Da seine Hände völlig gebunden waren, schloss Rudolf daraufhin am 11. November 1606 Frieden mit Istváns Schirmherrn, Sultan Ahmed I. (reg. 1603-1617) (B). Letzterer Vertrag garantierte den territorialen Status Quo; der Heilige Römische Kaiser wurde von seiner Tributverpflichtung befreit, nachdem er eine Einmalzahlung von 200.000 fl. (Gulden) an den Sultan geleistet hatte; zum ersten Mal erkannte der Sultan den Kaiser als Souverän gleichen Ranges an; und die ungarischen Dorfbewohner und Adligen erreichten, zumindest auf dem Papier, Garantien für die Selbstbesteuerung sowie Steuerprivilegien.

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A) Der Wiener Frieden mit dem Fürsten von Siebenbürgen (23. Juni 1606)


Wir, Matthias, von Gottes Gnaden Erzherzog von Österreich, stellen durch den vorliegenden Vertrag dem Gedächtnis anheim [. . . ], was jedermänniglich zuträglich sei. Dies tun wir, da die Heilige Kaiserliche und Königliche Majestät, der Herr und unser hochverehrter Bruder, Unserer besonderen Vermittlung gütig beigepflichtet und Uns daher gänzliche Vollmacht zugestanden hat, die im berühmten Königreich Ungarn ausgebrochenen Unruhen und Empörungen zu beruhigen [ . . . ]. Weil jedoch noch einige Schwierigkeiten bisher übriggeblieben zu sein schienen, [haben wir] zugesagt, daß jene Schwierigkeiten, die aus den früheren Verhandlungen geblieben zu sein schienen, erneut aufgegriffen, verhandelt und schließlich ein Vertrag darüber geschlossen werde, und zwar zum allgemeinen Wohl des christlichen Gemeinwesens und um des Friedens willen sowie zur Bewahrung dieses Königreiches, damit es nicht an seiner eigenen, inneren Zwietracht verbrenne, und damit so großes Vergießen von Christenblut unterlassen werde, damit auch die benachbarten Königreiche und Provinzen endlich von den andauernden Angriffen befreit werden und zusammen mit dem Königreich Ungarn aufatmen können [. . . ].

Zum ersten Artikel. Was also die Religionsangelegenheit betrifft, wurde [ . . . ] bestimmt, [daß der Kaiser] alle einzelnen Staaten und Stände allein innerhalb des Königreichs Ungarn – und zwar ebenso Magnaten wie Edelleute wie Freistädte und privilegierte, unmittelbar zur Krone gehörenden Marktgemeinden –, gleichermaßen auch die in den Grenzgebieten des Königreichs Ungarn befindlichen ungarischen Soldaten in ihrer Religion und Konfession nirgendwo und in keiner Weise stören und es auch nicht zulassen wird, daß sie durch andere gestört oder behindert werden. Allen vorgenannten Staaten und Ständen seien freier Gebrauch und Übung ihrer Religion erlaubt, jedoch ohne Nachteil für die römisch-katholische Religion, und zwar so, daß der Klerus, die Tempel und Kirchen der römischen Katholiken unversehrt und frei bleiben und das, was während der Zeit der Unruhen beiden Seiten genommen wurde, den nämlichen wieder zurückerstattet wird.

Zum Zweiten. Es bleibt beim Schluß des vorigen Vertrages, daß nämlich zugleich mit den Ungarn und den Türken Frieden und Versöhnung gemacht werde.

Zum Dritten. Der Palatin (1) mit seiner Würde soll auf die von alters her gewohnte Weise auf dem nächsten erstmals abzuhaltenden Reichstag gewählt werden. Da Ihre Kaiserliche und Königliche Majestät wegen der verschiedenen Obliegenheiten des Christenstaates nicht in Ungarn oder benachbarten Orten residieren kann und es für die Einwohner des Königreiches nicht nötig sein dürfte, wegen jeglicher Angelegenheit zu den entlegeneren Aufenthaltsorten Ihrer Majestät zu reisen und deshalb schwere Kosten aufzubringen – und wo auch die ungarischen Ratgeber Ihrer Majestät nicht immer zur Seite stehen können, so wurde festgesetzt und beschlossen, daß Ihre Durchlaucht [ . . . ] in den Angelegenheiten des Königreiches vermittels des Palatins und die ungarischen Räte nicht anders, als wäre Seine Kaiserliche und Königliche Majestät in Person anwesend, volle Gewalt und Kraft habe: was das Erteilen von Audienzen, das Vorschlagsrecht, das Urteilen, Beschließen, Handeln und Anordnen in all jenen Dingen, welche zur Bewahrung des Königreiches Ungarn nötig zu sein erachtet werden wird, anbelangt. [ . . . ]

[Art. 4: Die Krone soll zu ruhigeren Zeiten nach Preßburg überführt werden; Art. 5: Der Thesaurarius muß ein Ungar weltlichen Standes sein, ihm obliegt die Verwaltung der königlichen Einkünfte.]

Zum Sechsten. [ . . . ] Damit der Heiligen Kaiserlichen und Königlichen Majestät nicht in irgendeiner Weise an ihrer Autorität und Gewalt Eintrag geschehe, bleibe es in Ihrem Urteil, Bischöfe – [und zwar] welche sie wolle – zu erwählen. Doch sollen in ihrem Rat keine anderen als solche, welche ihre Bischofskirchen oder andere bischöfliche Besitzrechte innehaben, zugelassen werden. Ihre Kaiserliche und Königliche Majestät wird sich freundlich darum kümmern, daß wie bisher so auch zukünftig jenen unter ihnen, die, aus einem vornehmen Geschlecht stammend, würdig sind, ein angemessener Vorteil vor den übrigen gewahrt werde.

[ . . . ]



(1) »Pfalzgraf«; Vertreter des Kaisers in Ungarn mit umfassenden Vollmachten. [Fußnoten stammen aus: Bernd Roeck, Hg., Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555-1648. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 4. Stuttgart: P. Reclam, 1996, S. 121-27.]

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