A. Ogier in Istanbul.
Aber ich kehre zu meinem Ausgang zurück. Es wurde ein Bote mit Briefen über meine Ankunft zu Suleiman geschickt. In der Zwischenzeit, da man auf Antwort wartete, hatte ich Gelegenheit, die Stadt Konstantinopel in Muße anzuschauen. Zunächst wollte ich den Tempel der heiligen Sophia besuchen, doch wurde ich nur durch ganz besondere Gunst eingelassen. Die Türken glauben ihre Tempel entweiht, wenn ein Christ sie betritt. Die Hagia Sophia ist ein gewaltiges Werk, des Beschauens wohl wert; sie hat eine riesig gewölbte Kuppel, die allein von einer Öffnung in der Mitte Licht empfängt. Nach dem Vorbild dieser Kirche sind nahezu alle türkischen Moscheen gebaut. Manche behaupten, sie sei ehedem viel größer gewesen und habe weithin zahlreiche Anbauten gehabt, doch seien diese längst niedergelegt, und allein das Allerheiligste und der mittlere Bezirk sei geblieben. Was nun die Lage der Stadt angeht, so scheint Natur hier den Sitz einer Herrscherstadt geschaffen zu haben. Sie liegt in Europa, sie hat den Blick auf Asien und zur rechten Ägypten und Afrika. Obwohl diese nicht bis dorthin reichen, sind sie doch durch das Meer und leichte Schiffahrt damit verbunden. Zur Linken liegt der Pontus Euxinus [das Schwarze Meer] und der Maeotissumpf [das Asowsche Meer]; diese sind ringsum von vielen Völkern bewohnt und empfangen allerseits viele Flüsse, so daß weit und breit in diesen Landschaften nichts für Menschen Brauchbares wachsen kann, das nicht zu Schiffe in größter Bequemlichkeit nach Konstantinopel gelangte. Auf der einen Seite ist es vom Marmara-Meer bespült, auf der anderen bildet einen Hafen der Fluß, den Strabo seiner Form wegen das Goldene Horn nennt. Auf der dritten Seite ist die Stadt mit dem Festland verbunden, so daß sich ungefähr das Bild einer Halbinsel ergibt und sie auf langgestrecktem Bergrücken in das Meer und die Bucht ragt. In der Mitte von Konstantinopel hat man den heitersten Blick auf das Meer und den im ewigen Schnee schimmernden asiatischen Olymp.
Das Meer ist überreich an Fischen jeder Art; bald schwimmen sie aus der Maeotis und dem Schwarzen Meer durch Bosporus und Propontis ins Ägeische und Mittelmeer, bald von hier wieder ins Schwarze Meer, wie das die Natur der Fische ist. Ihre Schwärme sind so zahlreich und dicht, daß man sie manchmal mit den Händen fangen kann. In größter Zahl fischt man dort Makrelen, Tunfische, Dickköpfe, Zahnbrassen und Schwertfische. Diese Tätigkeit üben vor allem die Griechen, mehr zwar als die Türken, obwohl auch diese die Fische auf der Tafel nicht verschmähen, wenn sie nur von einer Art sind, die sie für rein halten; andere rühren sie so wenig an wie tödliches Gift. Denn — um das im Vorbeigehen zu sagen — sie würden sich lieber die Zunge oder die Zähne ausreißen lassen als irgend etwas essen, was nach ihrer Überzeugung unrein ist, wie etwa Frosch, Schnecke oder Schildkröte. Die Griechen leiden an dem gleichen Aberglauben. Ich hatte einen Knaben griechischen Bekenntnisses in meine Dienerschaft aufgenommen, den ich zum Einkaufen gebrauchte. Den konnten meine übrigen Diener niemals dahin bringen, Schnecken zu essen. Schließlich setzten sie sie ihm einmal so zubereitet und gewürzt vor, daß er sie für eine Art Fische hielt und gierig verzehrte. Aber als er am Lachen und Kichern der anderen und an den ihm vorgeworfenen Schalen den Betrug erkannte, war er ganz unbeschreiblich aufgeregt, zog sich in seine Kammer zurück und fand kein Ende mit Erbrechen, Weinen und sich Kummer machen: kaum zwei Monatslöhne würden ausreichen, ihn von dieser Sünde loszukaufen. Denn diese Sitte haben die griechischen Priester: je nach Gattung und Größe des Vergehens bestimmen sie denen, die ihre Sünden gebeichtet haben, einen größeren oder geringeren Preis für die Lösung und sprechen sie nicht eher los, als bis sie die ausgemachte Summe eingesteckt haben.