6. SITZUNG
13. Januar 1547 (A) Dekret über die Rechtfertigung
Vorwort
Da in dieser Zeit nicht ohne Verlust vieler Seelen und schweren Schaden für die kirchliche Einheit eine irrige Lehre über die Rechtfertigung ausgesät wurde, beabsichtigt zum Lob und Ruhm des allmächtigen Vaters, zur Beruhigung der Kirche und zum Heil der Seelen die hochheilige, ökumenische und allgemeine Synode von Trient, [ . . . ] allen Christgläubigen die wahre und gesunde Lehre über die Rechtfertigung darzulegen, die Christus Jesus, die Sonne der Gerechtigkeit (1), der Urheber und Vollender unseres Glaubens (2), lehrte, die Apostel überliefert haben und die katholische Kirche durch die Eingebung des Heiligen Geistes beständig festhielt. Sie verbietet strengstens, daß jemand künftig anders zu glauben, zu predigen oder zu lehren wage, als es im vorliegenden Dekret beschlossen und erklärt wird.
Kapitel 1: Die Schwäche der Natur und des Gesetzes und ihr Unvermögen, die Menschen zu rechtfertigen
Zuerst erklärt die heilige Synode, zum wahren und unverfälschten Verständnis der Rechtfertigungslehre gehöre es, daß ein jeder folgendes anerkennt und bekennt: Nachdem alle Menschen in der Übertretung Adams die Unschuld verloren hatten, wurden sie unrein (3) und – wie der Apostel sagt – „der Natur nach Söhne und Töchter des Zorns“ (4), wie das Dekret über die Ursünde dargelegt hat. Sie waren so sehr Sklaven der Sünde (5) und unter der Gewalt des Teufels und des Todes, daß nicht nur die Heiden nicht kraft der Natur, sondern nicht einmal die Juden, selbst sogar durch den Buchstaben des Gesetzes des Mose, daraus befreit werden oder sich erheben konnten, wenngleich der freie Wille in ihnen keineswegs ausgelöscht war, freilich an Kraft geschwächt und gebeugt.
[ . . . ]
(1) Mal 4,2 (Vulg.).
(2) Vgl. Hebr 12,2.
(3) Vgl. Jes 64,6.
(4) Eph 2,3.
(5) Vgl. Röm 6,20.