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Reform der Reichskirche – Regensburger Reformordnung (7. Juli 1524)

Der Ausbruch evangelischer Agitation in den 1520er Jahren stellte die Reichsbischöfe vor eine Herausforderung, da diese keinerlei Konzepte oder Strukturen für eine kollektive Kirchenreform besaßen. Während einige weltliche Fürsten die grundsätzliche Unterdrückung forderten, gestanden viele Bischöfe ein, dass Luthers Lehre wegen der langjährigen Maßlosigkeit des Klerus sowie deren Vernachlässigung ihrer Pflichten solch weite Verbreitung fand. Die Möglichkeit einer Reform hing von der Zusammenarbeit zwischen kirchlichen und weltlichen Autoritäten, Bischöfen und Fürsten, ab, ebenso wie der Erfolg der evangelischen Lehre von der Zusammenarbeit zwischen Predigern und Magistraten abhing. Kurz nachdem Kaiser Karl V. (reg. 1519-1556) mit dem Edikt von Worms (1521) seine erste Gegenmaßnahme ergriffen hatte, befahl er Österreich, die Maßnahmen des Bischofs von Salzburg zur Reform des Klerus zu unterstützen. Die wichtigste frühe Besprechung katholischer Machthaber fand am 6. Juli 1524 in Salzburg statt, wo sich der päpstliche Legat Lorenzo Campeggio mit Vertretern Erzherzog Ferdinands von Österreich, den Herzogen von Bayern, sowie zwölf Prinzbischöfen aus dem Süden traf. Sie schlossen einen Bund (A), dessen Ziel es war, den alten Glauben gegen Häresie und traditionelle Praktiken gegenüber Neuerungen zu verteidigen, verheiratete Mönche und Priester, geheime Prediger und all jene zu bestrafen, die in Druckerzeugnissen falsche Lehren verbreiteten. Am folgenden Tag, dem 7. Juli, verabschiedeten sie eine Reformordnung (B). Deren Bestimmungen enthielten den gesamten Katalog der Mißbräuche, welche die Reformer seit dem frühen 15. Jahrhundert angeprangert hatten. Obwohl diese Bestimmungen die disziplinären Beschlüsse des Konzils von Trient (1546-63) in vieler Hinsicht vorwegnahmen, beinhalteten sie über die Wiederbelebung der Provinzial- und Diözesansynoden hinaus keinerlei pragmatische Neuerungen.

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[Kard. Lorenzo Campeggio, päpstlicher Legat, Ehg. Ferdinand von Österreich, die Hgg. Ludwig und Wilhelm von Bayern und die Fürstbischöfe von Salzburg, Trient, Regensburg, Bamberg, Speyer, Straßburg, Augsburg, Konstanz, Basel, Freising, Passau und Brixen haben in ihren Beratungen über die große Gefahr, in der die deutsche Nation gegenwärtig schwebt, einmütig festgestellt.]


(A) Einung zur Durchführung des Wormser Edikts

[Am 6. Juli 1524 verpflichteten sich Erzherzog Ferdinand und die in Regensburg vertretenen altgläubigen Reichsstände in einer Einung zur Exekution des Wormser Edikts in ihren Territorien.]

„Erstlich, das wir und unser principal Got dem almechtigen zuo lob, der muotter Gottes und allen lieben hayligen und auch hymlischen hör zuo eeren, bepstlicher Hlt. und ksl. Mt. und derselben außgangen edicten, mandaten und abschid zuo billicher gehorsam, dartzuo unsern und unserer principal underthonen und verwandten seelenhayl zuoguot, das haylig evangelium und ander götlich geschrift nach gemaynem christlichem verstand, wie das die hayligen lerer, so von der kirchen angenommen seind, außlegen, die auch ir leer mit guotten, erbern sitten und wesen, darzuo mit irem bluotvergiessen besteet, also annemen und halten, auch kainswegs leyden noch gestatten wöllen, solchs evangelium zuo verhinderung der loblichen christlichen herkommen und gebrauch guotter wort und wercken und warer christlicher bruoderlicher lieb zuo predigen noch in ander verkert synn außzuolegen, und ob yemandt verdampte ketzereyen oder lesterung, von Christo unserm säligmacher, seiner hochgelobten muotter, der junckfrawen Maria, und der lieben hayligen, oder anders, das offenbare ergernuß under den gemayn christglaubigen menschen oder aufruor gebern möcht, predigen oder sonst außbraiten und halten, und des durch aygne bekandtnus oder glaubwirdige kundtschaft und erfarung überwunden und schuldig erfunden wirt, der soll darumb inhalts kaiserlichen edichts und nach gestalt seynes verschuldens, verbrechens und überfarens gestrafft werden. Und damit das haylig gotswort also nach rechtem warem verstand und außlegung on aufruor und ergernuß, sonder mit beschaydenhait gepredigt werd, so wöllen und söllen wir in unserer und unsern gnedigen herrn fürstenthumben und bisthumben, oberkait, landen und gebietten, wie obsteet, bestellen, das kainer in den kirchen zuo predigen zuogelassen werden solle, er seye dann yon seinen gaistlichen ordinarien vor examiniert und dartzuo taugenlichen und gnuogsam erkandt und hab des glaubwirdigen schein fürzubringen. Dergleychen sollen die prediger, so bißher gepredigt haben, ob sy taugenlich sein, auch examiniert und kain winckelpredig gestat werden.“ [ . . . ]

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