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Protestanten und Radikale – Die Debatte zwischen Martin Bucer und hessischen Täufern (1538)

Der folgende Text gibt ein Streitgespräch zwischen dem Straßburger Reformer Martin Bucer (1491-1551) und dem Vertreter der Täufer in der Landgrafschaft Hessen wider. Dieser Austuasch stellt einen deutlichen Kontrast zur scharfen Polemik Bucers gegen die Täufersekten dar. Das Gespräch fand auf Anordnung Philipps, des Landgrafen von Hessen, statt, der zu den wenigen Fürsten gehörte, welche das Täuferproblem durch Unterweisung statt durch Verfolgung zu lösen versuchten. Die Debatte führte zur Verkündung einer neuen hessischen Kirchenordnung (1539), welche die Konfirmation als bewusstes Bekenntnis zum christlichen Glauben einführte und außerdem das Amt des Kirchenältesten einrichtete, um die Teilnahme von Laien an Kirchenangelegenheiten zu fördern.

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Was der Bucerus mit den widerteufern zu Marpurg disputiert hat.
Protokoll des Sekretärs Valentin Breul.


I. Jörg Schnabel: Bann. Kirche. Wucher. Taufe. Obrigkeit. Menschheit Christi. Absolution. II. Leonhard Fälber von Maastricht: Predigerstand. Absonderung. III Hermann Bastian: Bann. Obrigkeit. Taufe. Sein Widerruf. Peter Losse.

Actum mitwoch post Simonis et Jude apostolorum [Okt. 30] anno etc. 38. In beisein Crafft Rauen, doctor Isermans, Hartman Schlern, des rectors, magister Adams, doctor Trachen, des pharrers und ander gelerten, auch burgermeisters, rats und etlicher der treffenlichsten burger zu Marpurgk.

Und ist erstlich durch doctor Iserman den widertaufern furgehalten worden, wie man hievor mancherlei weise mit inen gehandelt het, ob sie zum rechten verstandt gotlicher heiliger schrift widerumb hetten bracht werden mugen. Dweil aber das kein frucht hab bringen konnen, so hab unser gnediger furst und herre frembde gotforchtige leut hieher bewegt, die mit inen sprach halten solten, mit beger, ob sie hievor etwas neidigs oder boses gefast hetten, dasselbig fallen ze lassen, und das irer einer under inen antwort geb, nemlich Jorg Schnabel oder Lenhart, und die andern schweigen, damit das gesprech ordentlich gehalten und volnpracht werde. Und hat Jorg Schnabel, nachdem er sich mit Lenharte und Peter Losen bedacht, gesagt, er konne einem jden seinen tittel nicht geben; das man inen des nicht verdenke.

Man hab inen gefragt, warumb sie sich von unser gemein abgesondert haben. Daruf sei sein antwort, das er durch falsche lere ufgehalten worden seie. Nachdem er nu die Luterische lere gehort, seie er diener des kastens gewesen, hab er erkant, das vil hendel wider die schrift gewesen. Amos 1. stehe geschrieben [Wohl Hosea 4, v. 3.]: es seie kein guts meher im lande und werde allen inwonern ubel gehen, derhalben werden auch die priester fallen. Im neuen testament stehe also [Röm. 2, v. 6 oder Mt. 16, v. 27, 2. Petr. 2, v. 4.]: Got wolle richten nach eines jgklichen wergk. Item: Er hab nicht geschonet der engel im himel. Nu ist uns solchs geschrieben zum furbilde. Item zun Hebreern stehe dergleichen. Hab sich derhalben mit seinem pharrer in ein gesprech geben, dan er gesehen, das es erger zugehe dan bei dem babst, und sonderlich hab er ime zwen artikel furgehalten, vom wucher und ban. Item er hab davon gelesen im Lutter, Melanctone und doctor Isermans buch, das er geschrieben hab vom gemeinen nuz, das sie dawider geschrieben. Nu verhoff er, es solle zu unsers g. h. preis geraten, und hab sein pharrer gestanden, das es in der kirchen ubel zugehe, er wolle seine vleiss tun und er Jorge seie vor got schuldig, das er auch daruf sehe. Aber der pharrer hab es leicht lassen hingehen. Folgends seien sie beieinander bescheiden, hab er Jorg gesagt: Her pharrer, hie ist gelt, das sol ich usleighen, aber es ist in der schrift verpoten und seind in der stat vil armer leute. Hab der pharrer gesagt: Unsers g. h. ordenung ist, das man des kasten gueter bessern solle. Und in summa, er hab pharrer, burgermeister und rate angesagt, er wolle sich von inen scheiden. Item er hab hie zu Marpurgk in der canzlei von denselben zweien artikeln, dem ban und wucher, das sie die unrecht brauchen, [geredt]. Item der pharrer zu Marpurgk hab inen vor dem stathalter angeben, er wolt einen kunig ufwerfen und alles ubel strafen mit dem schwert. Darinne hab er ime unrecht getan.

Her Martin Butzer hat erstlich got den herren mit vleiss angerufen und ermanet, das ein jder beistender auch mit vleiss umb gnade bitten wolle. Folgends erzelt, wie unser g. f. und herre diser sachen mit ernstem vleiss nachtrachte und daruf zum hohsten verdacht seie, das die irrigen widerumb zum rechten verstand bracht werden mochten etc. Nu seien die taufer gefragt worden, was die ursach seie, darumb sie sich von der gemein getan haben. Daruf Jorg zwo ursachen angezeigt, die eine den ban und das der pharrer dem wucher nit hab begegen wollen. Fragt her Butzer, ob sie nicht meher puncten haben. Sagt Jorg: ja, aber dies seien die furnembsten.

Buzer: Hofft, es werde hier gepredigt ein bussfertig leben und, das uns Christus erlost hab. Wer das nit tut und glaubt, hoff er, mit dem werde der pharrer und die predicanten kein gemeinschaft haben. Aber wie der ban geordenet, seie offenbar Matthei 18 [v. 17]. Wo nu jmants in groben lastern leige und der kirchen dasselbig nicht angezeigt und also offentlich uberzeugt werden, den konne man vermuge des spruchs nicht bannen. Dan Judas hab das nachtmal genomen, seie aber noch nicht vor der gemein uberzeugt worden. Nu mag kein kirch sein, sie muss ein ban haben. Wo dan under den brudern seien hurer, wucherer und andere sunder und nach bruderlicher vermanung inhalt des evangelii obgemelt nicht abstehen wollen, mit den soll man kein gemeinschaft haben. So zeigen auch one allen zweivel die predicanten an absterbung des alten Adams und abstellung aller laster. Und dweil Judas vor der kirchen nicht uberzeugt worden, gab ime gleichwol der herre Christus das sacrament. Glaubt, das die prediger keinem das sacrament geben, der von den sunden nicht abstehen wolle, den sol man gehen lassen als einen feind gottes. Man kan niemant bannen, er wolle dan die kirch nit horen oder seie vor der kirchen bezeugt. Christus hat sein wort gepredigt; welchen das wol troffen, der hat deste fleissiger angehalten im ban. Und sie die taufer haben keinen fugk us der schrift, sich von der gemein abzutun, dan s. Paulus der kirchen solches bevelht, wie man 1. Corinth. 5. cap. [v. 1] liest, sie seien ufgeblasen, haben ein hurei, die auch bei den heiden nicht gehort werde. Paulus hab den verbannet, der sein stiefmutter gehabt; das sei offentlich gewesen, und man sol anzeigen, wen man bannen sol.

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