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Die Marburger Religionsgespräche – Bericht eines lutherischen Augenzeugen (1529)

Nachdem die Lutheraner auf dem Reichstag in Speyer 1529 gegen den Reichsabschied protestierten (daher der Begriff Protestanten), eskalierte die doktrinäre Auseinandersetzung zwischen Luther und dem Züricher Reformator Ulrich Zwingli. Da diese Debatte (sowie die Kampagne gegen Spaltgruppen) die Protestanten von ihrer Kritik an Rom und dem Katholizismus ablenkte, lud Landgraf Philipp von Hessen (1504-67), der um eine Einigung sowie das Bilden einer protestantischen militärischen Allianz bemüht war, Luther, Zwingli und zahlreiche andere Beteiligte im Oktober 1529 zu einem Religionsgespräch nach Marburg ein. Luther und Zwingli debattierten über die korrekte Auslegung der Worte Christi hinsichtlich der Eucharistie – „das ist mein Leib“ – welche Zwingli spiritistisch interpretierte, während Luther auf einer wörtlichen Interpretation beharrte. Ihre Einigung auf den in den Marburger Artikeln festgehaltenen Kompromiss war nur von kurzer Dauer und blieb folgenlos. Andreas Osiander (1498-1552) schickte seinen Augenzeugenbericht über die Marburger Religionsgespräche an den Nürnberger Stadtrat, dem er unterstand.

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Osianders Bericht


Für sichtig Erber Weyß günstig lieb Herrn, Mir hat Herr Martin Pfinzing In dem beuelch, den Ime Euer E. W. an mich gegeben vnd ich mit sonderm wolgefallen vnnd dannkbarkait vernumen hab, neben annderm angezaigt, das euer E. W. begern kurtzen vndterricht der hanndlung zw Marpurg, den ich hiemit euer E. W. anzaige.

Alls Doctor Steffen (nemlich Agricola) von Augspurg, Johann Prenntz von Hall vnd ich am sambstag nach mittag zw Marpurg einkomen, vnd vnns zw Hof liessen ansagen, wurden wir alßpaldt beschickt vnnd In des Fürsten gemach, do dann Luther gegen Zwingli vnnd Oecolampadj schon In hanndlung stunde, gefüert vnd zu Doctor Martini Luther vnd Philippo Melanchthone gesetzt, da zuzehören, vnnd, wo es not thet, auch darzu zu reden. Dann Doctor Martinus Luther, Philippus Melanchthon, Justus Jonas, Fridericus Miconius vnd Caspar Creutziger von Wittenberg waren am Donnerstags vor Mittags einkomen, vnnd het Martinus Luther den freytag mit sonndern gesprechen zwischen Ime, Zwinglj vnd Oecolampadj allain zugepracht, aber, als er saget, nichts fruchtpars außgericht, derhalben am sambstag frue vmb sechs hor ein offennlich freuntlich vndisputierlich gesprech (also wurd es genannt) ward fürgenomen, darbey waren der Fürst In aigner person vom anfanng biß an das enndt, das hofgesind vnd die hessischen prediger, so deßhalben darkomen waren, vnnd dann wir In sonnderhait vom Fürsten darzu beruefft, sonnst ließ man nyemandt hinein, villeicht von wegen des sterbens, dann die Ennglisch sucht, als wir erst Im abzug erfaren, regiert seer zur selben zeit. Alls wir nun von anndern fleyssig erfragt haben, ist am sambstag frue, vor vnserm einkomen also gehandelt worden, Zum ersten durchs Fürsten Canntzler fürgetragen, Warumb der Fürst sy berueffen hab, erynnert, was an der sach gelegen, vnd gebeten, sy wolten mer Gottes Eer, gemeiner Cristenhait nutz vnnd brüderliche ainigkait suchen dann annders.

Darnach hat Luther kürtzlich fürgetragen, wie die annder parthey sich vnndterstannden haben, zu beweysen, Das die wort Cristi, Das ist mein leyb, das ist mein pluet, [Matth. 26, 26 ff.] ain anndern verstanndt leyden vnnd haben müessen, dann wir glauben vnd leeren, vnnd als sy dess gestenndig gewest, hat er (Luther) weytter gesagt, des wöll er von Ine gewartten, es sey bishero noch nicht geschehen. Er hoff, es werde auch füro nicht geschehen, doch wöll er Ir beweysung hören, vnnd was er mangels daran wurd haben, freuntlich vnd kürtzlich anzaigen, Vnd hat also den Text, Das ist mein leyb etc. mit ainer kreyden für sich auf den tisch geschryben.

Darauff haben sich Zwinglj vnd Oecolampadj erpotten, Ir fürnemen mit heyliger göttlicher schryfft vnd mit der Väter klaren sprüchen zu beweysen. Dagegen hat Luther gebetten, sy wolten das ordennlich vnd freuntlich thun vnnd nit vnndter ein annder müschen, sonnder der Vätter geschweygen, biß man vor auß heyliger götlicher schryfft hanndelte. Das haben sy bewilligt vnnd gehalten.

Also hat Zwinglj angefangen vnd den spruch Johannis am 6., [Joh. 6, 63] das flaysch ist kain nutz, angezogen auff maynung, darmit zu beweysen, wail das flaysch Cristi kain nutz were, so het es auch Cristus nit zu essen geben, Vnnd als er seinem fürgeben zw guet das ganntz Capittel hat wöllen erzelen, Inmassen wie er in seinen puechlein vilfeltig gethan, hat Luther wol gemerckt, das es ein lanng vnnötig, vndienstlich vnd verdrießlich geschwetz wurde werden, vnnd dem Zwinglj vndterredet, In neme wunder, daß er den spruch fürtrage, dieweyl er wol wusse, das Cristus daselbst nichts vom abenntmal rede, sonnder vom glauben, derhalben er zu gegenwertigem strit nichts diene, darauff hat Zwinglj geanntwurt, es sey war, Er wölle aber dannocht darauß beweysen, das das flaysch Im abenntmal kain nutz sey, In neme nicht wunder, das Luther den spruch nicht gern höre, dann er werde Im (hat er mit grossem trutz vnd poch gesagt), dem Luther, noch den halß prechen. Darauff Luther den Zwinglj freuntlich ermant, wie sy selbs nicht ain zenckische disputacion, sonnder nur ain freuntlich gesprech begert, darzu gebetten, er wolte die stoltzen und trotzigen wort sparen, biß er heym zu seinen schweytzern keme, wo nicht, so weßt er Ime auch wol über die schnautzen zu faren, das Ine gereuen wurde, das er darzu vrsach geben vnnd solichs selbs angefangen het, mit anndern mer worten, darab Zwinglj still vnd eingezogen war worden.

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