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Die Reformation in der Praxis – Pastor Matthias Bengel an den Statthalter in Kassel (24. Dezember 1531)

Matthias Bengel war Pastor in der Gemeinde Morschen in Nordhessen. Dieser 1531 an den Statthalter in Kassel verfasste Brief verdeutlicht die mit der Einführung der Reformation verbundenen praktischen Probleme. Hierzu gehörten Spannungen zwischen Pastoren und anderen Amtsträgern sowie der Widerstand der Kirchengemeinden gegen die neu auferlegten Regeln.

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Matthias Bengel, Pfarrer zu Heydau, an Statthalter Adolf Rau zu Kassel

Mein arm christlich gebet zu Got, mit untertheniger gehorsamme und Strenger ernvester her und Juncker Es hat mein gnediger her, einen weinmaister zu neuwen Morshen wonhafft, mit dem begibts sich also, das er etlich widerteuffer durch den ganzen sommer heimlich behergbert, und dieweil das weinhaus meines gnädigen herren ganz am ende des dorffs gelegen, haben andere auch widerteuffer bey der nacht ein sichern zugang und abgang gehebt, bis solang, das die sache lautbar und ruchtig worden. Ich als sein lerer und prediger, inen furbeschaiden, und antwort sagen seins glaubens vor den amptleuth zu Spangenberg, erfordert, hatt er sich ein widerteuffer sein verleugnet etc. Dabey ist es bliben und nit weiter gehandelt mit meiner christlichen ermanung, das er sein biz anher verseumnis zum wort Gottes abstellen wölte und solche verdechtnis des volcks wider inen vorkommen und sich zu anderer christliche gemein in die kirchen gesellen etc. Das alles nit angesehen, bleibt er und sein ganz hausgesind nach heuts tags von die samlung die christliche gemein, also, das er gewislich mit der Tath beweyset, das er im herzen verborgen hatt etc. Strenger her ist mein underthenig bitte, wöllet mir oder die Amptleutten befel thun, wie die dach zu ratten, zu vorkommeen weitter Irtumb und ergernis.

Auch Strenger her vil ander offentlich laster und sund bey uns in der pfar zur haiden gehörig im volck offentlich erfunden werden, dan gar wenig christlich sitten noch ordenung unser gneden fürst und herr gehaltten, Uff die kintteuffen solch weltlich sund und mißbreuch mit uber essen und trinken bis uber die mitnacht, das sie mit verlezung des gewissen und auch des leibs abschaiden, damit dann daß heilig sacrament in ein weltlich ding ganz verkeret und mißbraucht wurt.

Auff den hochzeitten, gar noch niemandt zu kirchen kompt auch am Sontag, sonder morgen fru anhebend mit essen und trincken, und das da Gottes wort furdern solt, kompt ime zu grossem hindernis. Grausamme grosse gotslesterung der gleichen ich nie gehort, und des zu trinckes bis uber mitnacht kein zal nach ende. Summa, es ist gar noch kein forcht im volck, nemlich, so man gottes wort predigt, sthen sie uff dem kirchhoff, Got zu unehr und den frommen zum ergernis etc. Solche laster, sunden, und boser unchristlicher sitten im volck, ist nit ein geringe cleine ursach, der schreiber zu der haiden, dan er, als an stat der oberkeit, wider solch laster und sunden mit leben, wort, und straffe, fechten solt, ist eben er der gebrechenlist und underst under allen dan der gleichen gotslesterung als von ime und solchen zorn habe ich mein leben lang nie gehort, teglichen vol sein. und denen wutten und rasen ist ime ein gemein teglich ding, davon den sein dienstvolck im hause wol wuste zu sagen, vor vil gutten tagen, noch er, noch sein fraw, in kein kirche zu kommen, der zeitt haben, und so got gibt, das er in die kirche kommen vornimpt, bleibt er uff den kirchoff bey seines gleichen sthön, und in summa, sich ganz einen leycht fertigen man beweysende, on das, was da liegen heysset und schantbare narrenteyding etc.

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