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Schwörbrief – Verfassungsvertrag der Reichsstadt Straßburg (1482)

Dieser Text ist die endgültige (bis 1789 gültige) Fassung des Straßburger Grundgesetzes. Er dokumentiert die Lösung eines häufigen Problems in der mittelalterlichen Geschichte deutscher Städte: dem Machtkampf zwischen dem Stadtadel (den sogenannten Patriziern) und den Vorstehern der Handelsgilden und Handwerkszünften. Der Straßburger Schwörbrief stellt einen Mittelweg zwischen der Situation in Nürnberg, wo die Zünfte keine Rolle in der Stadtregierung spielten und der in Basel, wo Adel und wohlhabende Kaufleute von der Magistratur ausgeschlossen waren, dar. 1482 wurde die Zahl der Gilden in Straßburg von 28 auf 20 reduziert, ein Schritt, der das Ergebnis sowohl der Einigung zwischen Adel und Gildenältesten als auch der Zusammenlegung zweier oder mehrerer Gilden aus praktischen Gründen war. Der Adel stellte ein Drittel, die Vertreter der Gilden zwei Drittel der Magistraturen. Diese durch das Ende der mittelalterlichen Gildenaufstände möglich gewordene Machtteilung zwischen Adel und Gildenältesten war in den Reichsstädten der süddeutschen Territorien durchaus üblich. Ebenfalls auffällig ist die große Macht des Stadtrats, dessen Mitglieder lebenslang verpflichtet wurden. Der Straßburger Schwörbrief diente als eine Art Stadtverfassung und enthielt daher Bestimmungen über die Pflichten der Bürger gegenüber den Magistraten sowie der Magistrate gegenüber den Bürgern und über die Pflichten beider gegenüber der Gemeinde. Die Magistrate und Bürger, letztere auf Aufforderung der Gilden, versammelten sich jährlich im Januar vor der Kathedrale um ihren Schwur auf dieses Schriftstück zu erneuern.

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[1] In gottes namen amen. Wir die meistere, die rete, die rittere, die knehte, die burgere, die antwerck und die gemeinde bede rich und arm zu Strasburg verjehen und bekennen mit disem gegenwertigen briefe, das wir gemeinlich und eynmutlich uberkommen sint und uffgesetzet habent ein gemein geriht dem almehtigen gott zu lobe siner wurdigen muter Marien zu eren und der stat Strasburg zu nutz und zu frommen und ouch zu rihten dem armen als dem richen. Und ist dis das geriht : nemlich so sollent ein und drissig personen des rats sin; voran zehen von den constofelern und ein ammeister von den antwercken und darzu zwentzig personen ouch von den antwercken. Und als man jerlich jn den aht tagen ee der alte rat abeginge einen gantzen nuwen rat und einen ammeister gekosen hat umb das do dem nuwen rat ouch kunt und zu wissen sin mögent die sachen die sich by dem alten rat gehandelt und gemaht habent, so sol jerlich der halbe rat bliben sitzen.

[2] Also das yeglicher räts herre zwey jore aneinander jm rat bliben sol. Und sol jors der halbe rat und der ammeister gekosen werden mit sollicher ordenunge das die schöffel an yedem antwerck deren ratsherre abegat uff den dornstag noch dem heiligen subenden tage des morgens früge uff ir stuben sin sollent und aldo an des abegonden statt jn den rat kiesen einen andern erbern redelichen man von jrem antwerck, der sie der stat Strasburg aller nützest und wegest beduncket uff ir eide und in mossen als sie des geschriben ordenungen hinder jnen habent. So sollent dann die gantzen alten rete bede constofeler und antwerck die das jore gewesen sint jn der grossen ratsstuben uff der pfaltzen sin und aldo an der abgonden constofeler statt einen onder fromme redeliche mane jn den rat kiesen von den rittern knehten und burgern die sie der statt Strasburg ouch aller nützest und wegest beduncket uff ir eide. Und usz den selben so sollen sie dan kiesen zwen stettmeister von den stuben daruff die gewesen die abegangen sint zu den zweyen stettmeistern die vom alten rat blibent deren yeglicher ein vierteil jors meister sin sol und nit lenger.

[3] Und were es das under den selben meistern oder den andern von constofelern oder antwercken die jm alten rat gewesen werent und darjnne bliben sin soltent einer oder me von tode abegangen hinweg gezogen oder sust untogelich worden were, so sol man uff den obgenanten donrestag ander an die selbe statt kiesen die allein das jore usz jm rat sin und bliben sollent als der gewesen sin solt der also abegangen, hinweg gezogen oder untogelich worden were. Donoch so sollent die zehen von den antwercken die jm alten rat gewesen sint und bliben sollent jn die hünder stube gan zu den zehenden die man uff den selben morgen jn den nuwen rat gekosen hat, das sint zusammen zwentzig. Die selben zwentzig ratherren von den antwercken sollent dann kiesen einen redelichen frommen wisen statthafftigen man zu eym ammeister der sie der stat und der gemeinde zu Strasburg aller erlichest und nützlichest beduncket uff ir eide der ein antwerckman ist, doch keinen uff einer stuben dovor ein altammeister uff ist, noch ouch keynen alten ammeister er sy dann vor fünff gantz jore müssig gangen.

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