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Jérôme [Hieronymus] Napoleon, König von Westfalen, Dekret über die Aufhebung der Leibeigenschaftsrechte im französischen „Satellitenreich” Westfalen (23. Januar 1808)

Im nordöstlichen (ostelbischen) Deutschland diente die Leibeigenschaft (wo sie existierte) vorwiegend der Sicherung von Frondiensten für die großen Gutswirtschaften in Adelsbesitz, die für den Lokal- oder Exportmarkt produzierten. In West- und Süddeutschland, wo große Landgüter selten waren, bestand die Leibeigenschaft als rechtliche Grundlage für verschiedene Formen von Pacht fort sowie um die Arbeitsdienste der untertänigen Dorfbewohner beim Gutshaus zu sichern. Der vorliegende Text zählt die Vielfalt der Lasten auf, die durch die Abschaffung der Leibeigenschaft in dieser großen nordwestdeutschen Region aufgehoben wurden. Er erhält jedoch die Grundbesitzrechte der Landbesitzer an ihren Pachtgrundstücken aufrecht, für welche die Dorfbewohner (die gewissermaßen Erbpächter waren) weiterhin Pacht zahlen und sogar in gewissem Umfang Arbeitsdienst leisten mussten, falls dieser als Teil der Pacht gerechnet wurde. Für diese Hofpächter lag die Möglichkeit, volle Grundbesitzrechte an ihren Grundstücken zu erhalten, noch weit in der Zukunft.

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Wir Hieronymus Napoleon, etc. haben nach Ansicht des 13ten Artikels der Verfassungs-Urkunde vom 15ten November 1807, welcher sagt:

»Alle Leibeigenschaft, von welcher Natur sie seyn und wie sie heißen möge, ist aufgehoben, indem alle Einwohner des Königreichs Westphalen gleiche Rechte genießen sollen;« auf den Bericht Unsers Ministers des Justizwesens und der innern Angelegenheiten und nach Anhörung Unsers Staatsrathes, verordnet und verordnen wie folgt:


Erster Titel. Von der Aufhebung der Leibeigenschaftsrechte und Verbindlichkeiten.

Art. 1. Als Leibeigenschafts-Verbindlichkeiten werden betrachtet, und als solche aufgehoben:

1) bloß persönliche Dienste oder Personal-Frohnen, das heißt solche, welche einer Person einzig aus dem Grunde ob liegen, weil sie Vasall ist, oder an einem gewissen Orte wohnt;

2) alle Dienste, welche zwar in Rücksicht des Besitzes eines Grundstückes obliegen, oder unbestimmt, und von der Willkühr dessen, der sie zu fordern hat, abhängig sind;

3) die Verbindlichkeit der Bauern, in dem Hause ihres bisherigen Herrn als Gesinde zu dienen, und das sogenannte Gesinde-Zwangrecht, vermöge dessen ihre Kinder genöthiget werden können, bei keinem andern, als dem genannten Herrn, in Dienst zu treten;

4) die Verbindlichkeit, zur Eingehung einer Heirath die Einwilligung des bisherigen Herrn einzuholen, und an diesen die unter der Benennung von Bedemund, Brautlauf, Klauenthaler oder einem sonstigen Namen für eine solche Einwilligung zu bezahlende Abgabe zu entrichten.

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