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Unterschiede zwischen Ost und West (12. November 1990)

Mittels einer groß angelegten Meinungsumfrage versucht Der Spiegel zu sondieren, welche Einstellungen die Ost- und Westdeutschen teilen und in welchen Fragen die divergierenden Meinungen miteinander versöhnt werden müssten, wenn die Vereinigung erfolgreich sein soll.

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Den Neuen fehlt Selbstvertrauen
SPIEGEL-Umfrage in der gesamtdeutschen Bundesrepublik: Was die Deutschen in Ost und West eint und trennt


Der SPIEGEL hat durch drei Institute feststellen lassen, was die Deutschen der Alt-BRD und der Ex-DDR eint und was sie trennt, worin sie sich gleichen und worin sie sich unterscheiden.

Das Bielefelder Emnid-Institut befragte je 2000 erwachsene Männer und Frauen in West und Ost (dazu noch je 100 Jugendliche von 15 bis 17 Jahren). Hüben arbeitete Emnid mit eigenen Interviewern, drüben bedienten sich die Westfalen des Netzes von Mitarbeitern, das die Ost-Berliner Usuma sich geschaffen hat, ein erst in diesem Jahr gegründetes Institut.

Das Leipziger Zentralinstitut für Jungendforschung, das zur Honecker-Zeit Umfragen nur als „Vertrauliche Verschlußsache“ oder sogar als „Geheime Verschlußsache“ für die Partei und Staatsspitze produzieren durfte, befragte weitere 1200 Ost-Deutsche.

Einige Fragen der Sachsen stammten aus der Zeit vor der Wende, andere aus den sieben Umfragen, die das Institut danach in der DDR durchgeführt hat, etliche neue Fragen kamen dazu.

Die Interviewer der drei Institute waren unterwegs, als Deutschland noch dem Buchstaben nach geteilt war (von Mitte September bis Anfang Oktober). Die Antworten wurden in den Bielefelder und Leipziger Computern ausgezählt und von den Fachleuten der Institute ausgewertet, als es die DDR nicht mehr gab.

So wurde diese Untersuchung gleichsam zur Eröffnungsbilanz der gesamtdeutschen Bundesrepublik, die seit dem 3. Oktober neben ihren alten 63 Millionen Bürgern weitere 16 Millionen neue hat.

Anhand dieser Umfragezahlen können, wenn sie fortgeschrieben werden, Politiker und Zeithistoriker künftig feststellen, ob, wie und wann zusammenwächst, was zusammengehört.

Rund hundert Themen wurden abgehandelt, etwa eine Stunde saßen die Interviewer in den Wohnzimmern und Küchen der Befragten zwischen Aachen und Görlitz, Rostock und Passau.

Die meisten Fragen wurden wortgleich oder analog in Ost und West gestellt, ein Dutzend direkte Vergleiche wurden erbeten.

Andere Vergleich ließen sich später in den Instituten ziehen. So wurde zum Beispiel festgestellt, daß die Zuneigung der vereinten Deutschen zueinander nicht so groß ist, wie die schwarzrotgold Begeisterung auf Bild-Titelseiten und zuweilen auf den Bildschirmen vermuten lassen könnte: Den West-Deutschen sind die Franzosen, den Ost-Deutschen die Österreicher, genauso sympathisch wie die Landsleute, von denen sie so lange getrennt waren.

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