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Drei Telegramme des US-Hochkommissars John McCloy an Außenminister Dean Acheson bezüglich der „Stalin Note” (1952)

Adenauers Reaktion auf die „Stalin Note“ und die amerikanischen Bemühungen, seine Einstellung in Erfahrung zu bringen, bieten einen guten Einblick in die übergreifende Strategie des Bundeskanzlers gegenüber der Sowjetunion und der DDR. Er war sich bewusst, dass die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung in der Bevölkerung weiterhin groß war und dass seine vorrangige Westintegrationspolitik die Chancen einer nationalen Einheit verringerte. Dennoch sah er zum Bündnis vor allem mit den USA keine Alternative. Nur auf dem westlichen Wege war seines Erachtens die Frage eines Friedensvertrages und der Wiedervereinigung offen zu halten und als weitere Voraussetzung dafür eine internationale Anerkennung des zweiten deutschen Staates zu verhindern. Die Bundesrepublik musste der alleinige deutsche Staat sein und bleiben. Hier sind auch die Wurzeln jener Doktrin zu sehen, die Adenauers Staatssekretär Walter Hallstein entwickelt hatte. Sie besagte, dass die diplomatische Anerkennung der DDR durch einen anderen Staat (außer der UdSSR) zum Abbruch der Beziehungen seitens der Bundesrepublik führen würde.

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I. Telegramm des US-Hochkommissars John McCloy an US-Außenminister Dean Acheson in Reaktion auf die „Stalin Note“ (12. März 1952)


Westdeutsche Reaktion auf sowjetische Demarche scheint bislang erfreulich besonnen zu sein. Wir entnehmen dies aus Gesprächen mit Beamten und aus Sichtung der morgendlichen Presse. Gesondertes Telegramm zu Pressereaktionen wird gesandt.

Zum Glück für uns haben die meisten Deutschen wenige Illusionen über Russland und den Bolschewismus. Die meisten Deutschen, die von russischen Vorschlägen erfahren haben, nähern sich ihnen daher mit Skepsis. Redakteure haben schnell auf Mängel in sowjetischer Note aus deutscher Sicht hingewiesen, besonders Gebietsbegrenzungen. Sowjetische Bedingungen seien allgemein so überzogen, dass sie unmöglich sind.

Ungeachtet dessen müssen wir erkennen, dass das Problem, auf das Kreml diese Propagandawelle ausgerichtet hat – die deutsche Einheit – eines ist, auf das Deutsche empfindlich reagieren. Das bisher keine (wiederhole keine) dramatische Reaktion ausgelöst wurde, ist nicht einem Irrtum des sowjetischen Ansprechens der Einheitsfrage zuzuschreiben, sondern einem tief verwurzelten deutschen Misstrauen gegenüber Schritten aus dem Osten.

Im sowjetischen Schritt enthaltene Gefahren erscheinen uns wie folgt:

1. Viele Deutsche, für die die Einheitsfrage von großer Bedeutung ist, werden trotz bewusster Skepsis sehnsüchtig hoffen, dass Kreml-Vorschlag zumindest eine Chance erhält. Natürliche Tendenz der Deutschen, über ihre Schulter zurück auf Einheit als erste Priorität zu schauen könnte verstärkt werden und dort erhöhte Neigung entwickeln, sich nur langsam voran zu bewegen, während wir wünschen, dass sie in Richtung Westintegration fortschreiten. Da diese Gefühle gleichzeitig so tief verwurzelt und so amorph sind, können wir nicht sicher sein, dass ursprüngliche vernünftige Reaktion, die wir jetzt auf Kreml-Demarche beobachten, stabil bleiben wird.

2. Sowjetische Bedingungen für Friedensvertrag stärken offensichtlich Verhandlungsposition der Bundesrepublik in Vertragsverhandlungen, während sie paradoxerweise den vorläufigen Charakter der Bundesrepublik betonen und somit Position der Regierung schwächen.

3. Wenn unsere Reaktion auf sowjetische Note als negativ und die Möglichkeit deutscher Einheit ausschließend erscheint, werden Kreml-Vorschläge einen Reiz ausüben, den sie derzeit nicht besitzen und Aufgabe, Westdeutsche zu überzeugen, mit der Integration fortzufahren, wird empfindlich gestört.

Wir bieten folgende Vorschläge zur Betrachtung durch Außenministerium in seiner Vorbereitung einer Antwort an sowjetische Regierung.

1. Wir sollten andeuten, dass wir erfreut sind, festzustellen, dass sowjetische Regierung mit uns übereinstimmt hinsichtlich der Wichtigkeit des Schaffens einer gesamtdeutschen Regierung durch demokratisches Verfahren als ersten Schritt hin zu einer Friedensregelung. Dies bedeutet offensichtlich gesamtdeutsche Wahlen.

2. Wir haben uns an der Gründung einer UN-Kommission beteiligt, die gleichzeitig in Bundesrepublik und Sowjetzone die Möglichkeit der Abhaltung solcher Wahlen prüfen und Ergebnisse den UN berichten soll.

3. Wir haben einen Gesetzesentwurf der Bundesrepublik für das Abhalten solcher Wahlen an sowjetische Regierung weitergeleitet.

4. Wir erwarten Zeichen von sowjetischer Regierung, dass sie diese Schritte unterstützen wird und hoffen, dass Antwort positiv ausfallen wird.

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