GHDI logo


Der Beitrittsbeschluss der Volkskammer (24. August 1990)

Nach kontroversen Diskussionen zwischen Befürwortern einer raschen Vereinigung und Verteidigern einer fortgesetzten Unabhängigkeit beschließt die Volkskammer der DDR in der Nacht des 23. August 1990 den Beitritt zur Bundesrepublik zum 3. Oktober 1990. Der folgende Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt die Reaktionen zweier BRD Politiker, Kanzler Helmut Kohl (CDU) und dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 3


Ein Tag der Freude für alle Deutschen
Kohl dankt der Volkskammer, den Verbündeten, Gorbatschow/ Auch Lafontaine begrüßt den Beitrittsbeschluß


Als »historisches Ereignis in der Geschichte der Deutschen« hat Bundeskanzler Kohl am Donnerstag in einer vor dem Bundestag abgegebenen Regierungserklärung die Entscheidung der Volkskammer bewertet, mit Wirkung vom 3. Oktober den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit zur Bundesrepublik zu vollziehen. »Der heutige Tag ist ein Tag der Freude für alle Deutschen. Am Mittwoch, dem 3. Oktober 1990, wird der Tag der Wiedervereinigung sein. Es wird ein großer Tag in der Geschichte unseres Volkes. Nach über vierzig Jahren geht in Erfüllung, wozu die Präambel des Grundgesetzes ›das gesamte deutsche Volk‹ auffordert: ›In freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden‹«, sagte der Kanzler.

Es sei ein Tag der Dankbarkeit, an dem der Respekt und die Anerkennung den Kollegen und Kolleginnen in der Volkskammer und in der Regierung der DDR gelte. Sie hätten den Auftrag erfüllt, der ihnen am 18. März von den Wählern erteilt worden sei.

Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Lafontaine begrüßte den Beschluß der Volkskammer, weil er für die Menschen in der DDR die Grundlage darstelle, nun ihr Leben in Freiheit zu verwirklichen. Lafontaine mahnte an, die staatliche Einheit sei die Voraussetzung für die »wirkliche Einheit«, nämlich die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen. Zugleich erinnerte er an die Forderung Carlo Schmids, »eine Nation Europa zu bauen«, und sprach sich für einen neuen Nationenbegriff aus, welcher in den Vereinigten Staaten von Europa verwirklicht werden solle. Lafontaine forderte überdies einen Verfassungsrat, der auf der Grundlage des Grundgesetzes eine neue Verfassung ausarbeiten solle, über die dann in Deutschland eine Volksabstimmung abzuhalten sei.

Der Bundestag verabschiedete am Abend den Wahlvertrag, der die Grundlage für die gesamtdeutsche Bundestagswahl am 2. Dezember schafft.

[ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite