Berlin, December 1905 Krieg gegen Frankreich
In einem Kriege gegen Deutschland wird sich Frankreich, besonders solange es auf eine wirksame Unterstützung Rußlands nicht rechnen kann, voraussichtlich zunächst auf die Verteidigung beschränken.
Für diesen Zweck hat es sich schon seit langer Zeit eine zum großen Teil dauernd ausgebaute Stellung vorbereitet, in welcher die großen Festungen Belfort, Epinal, Toul, Verdun die Hauptstützpunkte ausmachen. Diese Stellung kann durch das zahlreiche französische Heer in ausreichender Weise besetzt werden und bietet dem Angriff große Schwierigkeiten.
Dieser wird sich nicht gegen die großen Festungen richten, deren Bezwingung einen großen Belagerungsapparat, viel Zeit und viel Kräfte, und zwar um so mehr erfordert, als eine Einschließung unmöglich und die Belagerung nur von einer Seite erfolgen kann. Der Angreifer wird vielmehr gegen die Zwischenräume vorgehen. Zwei von ihnen (Belfort-Epinal und Toul-Verdun) sind mit Sperrforts angefüllt, die aber von erheblicher Bedeutung nicht sind. Wesentlicher ist es, daß die Zwischenräume schon von Natur starke Stellungen bilden, in denen Abschnitt hinter Abschnitt liegt und die durch die großen Festungen auf ihren Flügeln den Angreifer an einer Umfassung verhindern, gleichzeitig ihn selbst aber mit einer solchen bedrohen.
Die meiste Aussicht auf einen Erfolg bietet ein Angriff auf den rechten Flügel der Moselforts (Fort Ballon de Servance). Die Überwindung der hier vorhandenen Geländeschwierigkeiten ist jedoch nicht genug vorbereitet. Auch wenn dies geschehen, wird man schwerlich einen Feldzug mit einer Belagerung von „Ballon de Servance“ eröffnen. In einer späteren Periode des Krieges kann jedoch die Wegnahme dieses Forts von Bedeutung sein.
Weiter kann mit Aussicht auf Erfolg das hauptsächlich durch Feldbefestigungen geschützte, leicht zu umfassende und zu bombardierende Nancy angegriffen werden. Ist jedoch die Stadt und die dahinter liegende Höhenstellung genommen (Forêt de Haye), so befindet man sich den Befestigungen von Toul gegenüber. Ein Angriff auf Nancy bietet fast nur den Vorteil, daß die Franzosen, um die lothringische Hauptstadt zu retten, sich vielleicht bestimmen lassen werden, aus ihren Befestigungen herauszutreten und sich zur Feldschlacht zu stellen. Sie haben aber dann ihre schützenden Linien so nahe hinter sich, daß ihnen eine Niederlage keinen großen Schaden, dem Sieger keinen großen Erfolg bringt. Es ist ein abgeschlagener Ausfall aus einer Festung, der dem Belagerer wie dem Verteidiger ungefähr dieselben Verluste bereitet, die Lage beider aber unverändert läßt.
Ein Frontalangriff auf die Stellung Belfort—Verdun bietet daher wenig Aussicht auf Erfolg. Einer Umfassung südlich müßte ein siegreicher Feldzug gegen die Schweiz und eine Bezwingung der Juraforts vorausgehen, zeitraubende Unternehmungen, während welcher die Franzosen nicht müßig bleiben würden.